Medienforscher zur Übernahme der „FR“: „Dann wird es dramatisch“
Eine linksliberale FR und die konservative FAZ? Wie soll das gehen? Und wird die neue FR ein Blatt, was von Leiharbeitsredakteuren gemacht wird?
taz: Herr Röper, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) gilt als Favoritin für eine Übernahme der insolventen Frankfurter Rundschau (FR). Passt das zusammen, die linksliberale FR und die konservative FAZ?
Horst Röper: Im Zeitungsmarkt gab es solche Übernahmen schon häufiger, Zeitungen, die von ihrer politischen Position eigentlich nicht zueinanderpassen, haben dann doch zusammengefunden. Das ist nicht so entscheidend, es kommt eher darauf an, wie die künftige FR aussehen wird.
Wie muss sie denn aussehen, um attraktiv zu sein?
Die FR wird künftig wohl keine überregionale Zeitung mehr sein. Dennoch muss sie ihr Profil behalten: Sie war immer eine der Zeitungen, die sich am deutlichsten positioniert haben, sie hat sich überregional als linksliberal etabliert und das war sie auch im Rhein-Main-Gebiet.
Diese Tradition wird man aufrechterhalten müssen, sonst wären die Überlebenschancen nur noch sehr gering. Der Mantelteil wird vermutlich zwar nicht mehr von der FR produziert werden, aber eine Rundschau mit einem Mantelteil von der FAZ oder von der Frankfurter Neuen Presse (FNP), die beide zur Fazit-Stiftung gehören, kann man sich nicht vorstellen.
Das Bundeskartellamt hat am Mittwochnachmittag den Erwerb der insolventen Frankfurter Rundschau (FR) durch ihre konservative Konkurrentin, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) genehmigt. Allerdings bedeute dies noch nicht die endgültige Rettung der FR, so der Sprecher des Insolvenzverwalters. „Die Entscheidung des Kartellamtes ist ein großer Schritt in Richtung einer Übernahme durch die FAZ.“ Allerdings müssten noch „letzte Details“ verhandelt werden, „erst dann können die Verträge unterschrieben werden.“
Eine Prüfung des Kartellamtes war nötig, weil nun in Frankfurt eine Art Zeitungsmonopol entstehen könnte: Neben der FAZ und der Frankfurter Neuen Presse würde dann auch die FR zur Fazit-Stiftung gehören. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, erklärte dazu: „Wir haben hier eine sogenannte Sanierungsfusion geprüft und im Ergebnis bejaht.“ Das bedeutet, dass „die bestehende Marktposition der FR bei deren Ausscheiden ohnehin der FAZ zuwachsen würde“ und dass das Kartellamt den türkischen Medienunternehmer Burak Akbay nicht als ernstzunehmenden Erwerber einstufte.
Laut Medienberichten – auch in der FAZ – will diese die FR mit 28 Redakteuren übernehmen, an der hauseigenen Druckerei hat sie kein Interesse. (Timo Reuter)
Die FAZ will 28 Redakteure sowie eventuell etliche Leiharbeitsredakteure übernehmen, außerdem hat sie offenbar kein Interesse, die Außenredaktionen im Rhein-Main-Gebiet zu übernehmen. Wie will man sich da im Lokalen profilieren?
60, ist Medienforscher und Geschäftsführer des Formatt-Instituts in Dortmund.
Es kann im Lokalen durchaus Synergieeffekte mit der FNP geben. Man wird sich aber bei der FAZ genau überlegen müssen, ob man die FR auch noch in ihrem Stammgebiet rund um Frankfurt schwächt, indem man dort wesentliche Lokalausgaben aufgibt. Das kann ich mir nicht vorstellen, denn dann macht die Zeitung keinen Sinn mehr.
Ist so ein Monopol nicht gefährlich für die Pressevielfalt?
Monopole sind immer ein negatives Ergebnis. Der deutsche Zeitungsmarkt ist inzwischen von solchen Situationen geradezu überschwemmt. Sie bedingen oft, dass der Leser keine Auswahl mehr hat, in Frankfurt am Main könnte sie der Leser aber noch haben. Allerdings fehlt oft die Motivation, die vom Wettbewerb ausgeht, also der Druck zur Investition.
Ist die FR-Übernahme deshalb ein Risiko für die FAZ?
Ich sehe kein allzu großes Risiko, auch nicht finanziell, sondern lediglich die Gefahr eines Imageschadens, wenn diese Übernahme schiefgehen sollte.
Wer ist schuld am Niedergang der FR?
Viele Fehler sind hausgemacht, schon in früheren Jahren. Man hat irgendwann nicht mehr gewusst, was die FR überregional will und was sie leisten kann. Außerdem wurden in den fetten Jahren nie Rücklagen gebildet. Neben den individuellen gibt es aber auch strukturelle Probleme: Wir leben in Zeiten der Zeitungskrise.
Müsste nicht deshalb ein Umdenken hin zu staatlich gefördertem Printjournalismus stattfinden?
Es sind zwar noch nicht viele Zeitungen eingestellt worden, aber viele Lokalausgaben von Tageszeitungen. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Wenn die Politik für Vielfalt auch im Lokaljournalismus sorgen will, dann brauchen wir ein neues Finanzierungsmodell für den Zeitungsjournalismus. Es braucht neben der Werbung und den Vertriebserlösen eine dritte Säule zur Finanzierung, das können Stiftungen sein wie in den USA oder die öffentliche Hand wie in vielen europäischen Ländern oder sonstige Lösungen.
Und das Geldverdienen im Internet?
Das Internet ist für die allermeisten Unternehmen, die Journalismus anbieten, nicht kostendeckend. Dieser Zustand müsste dringend abgestellt werden. Das versuchen viele Verlage, indem sie den Übergang zu zahlungspflichtigen Angeboten schaffen wollen. Wenn dieser Übergang – der sachte geschehen muss – nicht gelingen wird, dann fürchte ich, dass es am Zeitungsmarkt dramatisch wird.
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