Medien: Journalisten schreiben Liebesbriefe
In Berlin und Brandenburg stehen der Deutsche Journalisten Verband und seine Abspaltungen seit drei Jahren für Chaos und Intrigen. Jetzt wollen sich die vier Gewerkschaften wieder vereinen.
"Ein Artikel über die beiden Berliner Journalistenverbände? Wie lang soll der denn werden?" Michael Rediske, Geschäftsführer des Vereins Berliner Journalisten, lacht. Tatsächlich gehen die Irrungen und Wirrungen zwischen dem Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und seinen Landesverbänden in Berlin und Brandenburg bereits ins dritte Jahr. Drei Jahre voll von Klagen und Vorwürfen wie Wahlmanipulation und rechter Unterwanderung. Dabei wollen alle Beteiligten heute nur noch eines: sich versöhnen.
Die Geschichte beginnt mit Thorsten Witt, den der DJV einen "Rechtextremisten" nennt. Witt schart im Frühjahr 2004 eine Gruppe von Menschen um sich, die, trotz journalistisch zweifelhaften Hintergrunds, massenhaft in den Brandenburger DJV eintreten - nur um kurz darauf in dessen Berliner Landesverband zu wechseln und den Vorsitz zu stürzen.
Rechte Unterwanderung
Der Bundes-DJV hält die Wahl für manipuliert und schließt sowohl den Brandenburger als auch den Berliner Verband aus, die nun beide von Witts Gefolgschaft dominiert werden. Unmittelbar danach gründen sich der Verein Berliner Journalisten und sein Brandenburger Pendant als neue Landesverbände des DJV. Aber das Landgericht Berlin verbietet den Ausschluss der alten, weil diesen kein Vorsatz nachzuweisen sei, den DJV zu schädigen. Seither existieren, neben der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunionin von ver.di, in beiden Ländern jeweils zwei DJV-Landesverbände.
Bis zum Herbst diesen Jahres: Am 3. Oktober beschließen die beiden Neu-Verbände auf zwei parallel stattfindenden Mitgliederversammlungen einstimmig ihre Fusion, die zum 1. Januar 2008 vollzogen werden soll. Zusammen kommen sie damit auf 1.750 Mitglieder. Bis zuletzt liefen auch Verhandlungen mit dem Berliner Altverband. "Wir wollen die Spaltung rückgängig machen", sagt Peter Pistorius, der Vorsitzende des alten DJV Berlin. "In so einer engen Region verschleißt die Zweiteilung nur Kräfte."
Doch bevor es zur Allaussöhnung kommt, meldet der 2.250-Mitglieder starke Altverband überraschend Insolvenz an. Die Ursachen lägen jedoch, laut DJV Berlin, lange zurück und seien nicht dem heutigen Landesvorstand anzulasten. Tatsächlich sind es Pensionsansprüche des ehemaligen Geschäftsführers Jürgen Grimming in Höhe von rund 300.000 Euro, die die Bilanz verhageln. Bis dahin hatte der Verband Grimming eine Rente aus den laufenden Mitteln gezahlt. Das Bilanzrecht verlangt aber, dass die gesamte Pension (veranschlagt für eine durchschnittliche Lebenserwartung) zurückgestellt wird. Das bedeutet, der DJV Berlin ist zwar zahlungsfähig, ihm fehlen aber die Ersparnisse.
Schulden über Schulden
Der Bundesverband hat bereits eine Übernahme der Schulden abgelehnt. "Das lässt sich mit der Satzung des DJV nicht in Einklang bringen", sagte der Bundesvorsitzende Michael Konken. Für Pistorius "eine große Entäuschung". Immerhin ließ die Satzung zu, dass der DJV-Gesamtvorstand die Entschuldung der beiden Neu-Verbände beschloss. Bei den Alt-Berlinern sah er sich dazu jedoch außerstande - wegen unkontrollierbarer Haftungsrisiken. "Ein merkwürdiger Sachverhalt"- mehr möchte Pistorius dazu nicht sagen. Er hofft aber weiterhin auf eine finanzielle Gesundung. Noch diese Woche soll der Insolenzverwalter über die Zukunft des DJV Berlin entscheiden. Der Ausgang ist völlig offen.
Dennoch wünschen sich alle Beteiligten eine Verschmelzung, sobald juristisch geklärt ist, wie es mit dem Altverband weitergeht. "Das kann ich mir nicht nur vorstellen, das halte ich auch für wünschenswert", sagt Hendrik Zörner, Pressesprecher des DJV-Bundesverbandes. Auch auf Seiten der einst als Nazis beschimpften Alt-Berliner sind die Wunden verheilt. Der berüchtigte Herr Witt hat sich, mittlerweile schwer krank, aus dem DJV zurückgezogen. Für Pistorius ist damit "das Thema erledigt. Ich habe nicht die Absicht, alte Konflikte aufzuwärmen."
Nur zwischen dem DJV und dem Brandenburger Altverband scheint sich der Streit nicht abzukühlen. Die Isolvenz des DJV Berlin sei "ein Menetekel für den ganzen Deutschen Journalisten-Verband", kritisierte Brandenburgs Vizechef Klaus Minhardt den Bundesvorsitzenden Konken auf der Verbands-Webseite. "Der Bundesverband hat in unsolidarischer Weise dem DJV-Berlin die Hilfe verweigert, aber zugleich den abgespaltenen Neugründungen massiv geholfen. Hier war eine Gelegenheit, den bei allen Gerichten gescheiterten Ausschlußplan von 2004 doch noch durchzuziehen. Und man hat sie genutzt."
Streit ohne Ende?
Der Ärger mag auch von dem laufenden Rechtsstreit zwischen dem Brandenburger Alt-DJV und dem Dachverband herrühren. Da der DJV föderal organisiert ist, sind die Landesverbände per Satzung dazu verpflichtet, Abgaben an den Bundesverband zu entrichten. Das zu tun, weigern sich die Brandenburger allerdings seit 2005. Sie fordern stattdessen so genannte "Strukturhilfen" vom Dachverband, für die der DJV aber die reicheren Landesvertretungen in der Pflicht sieht. Die Brandenburger waren bereits zur Zahlung verurteilt worden, hatten aber beim Brandenburger Oberlandesgericht Berufung eingelegt. Mit dem Urteil wird am 7. November gerechnet.
Trotzdem sollen laut DJV-Sprecher Zörner auch die Brandenburger auf lange Sicht wieder ins Boot geholt werden. Selbst wenn das im Moment noch "illusorisch" sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!