Mediale Darstellung des Terrorismus: Bilderverbote machen nur heiß
„Le Monde“ und „Zeit“ verzichten darauf, Bilder von terroristischen Taten zu zeigen oder setzen sie hinter zarte Nebelschleier. Wem dient diese Geste?
Die Donnerstag erschienene Ausgabe der Zeit widmet sich unter der Überschrift „Mörderischer Funke“ dem Terrorismus der jüngeren Zeit sowie dem Amoklauf von München. Der Clou: Die Bilder der Täter sind so bearbeitet worden, dass sie nicht mehr erkannt werden können.
„Was wir nicht mehr sehen wollen“ heißt der programmatische Titel hierzu: „Wir wollen nicht dazu beitragen, dass Mörder zu Helden werden – und dass ihr Kalkül aufgeht: durch Grausamkeit berühmt zu werden. Dass Medien blutige Bilder verbreiten, gehört zum Plan der Täter. Ihm wollen wir nicht folgen.“
Die französische Tageszeitung Le Monde hat sich zum gleichen Schritt bewogen gefühlt. Der Leitartikel von Mittwoch ist mit „Résister à la stratégie de la haine“ betitelt – der Strategie des Hasses widerstehen. Beide Zeitschriften profilieren sich mithin als Medien, denen Achtsamkeit und Feingefühl eigen ist – in Wahrheit, gleichwohl, sind beider Aktionen wohlfeil. Bilderverbote, vor allem religiös formulierte, haben noch nie funktioniert. Wer Unliebsames verhüllt oder unkenntlich macht, stimuliert die Neugier, ja, die Schaulust des Publikums nur noch mehr.
Außerdem: Welcher der Attentäter der vergangenen Wochen liest Medien wie die Zeit oder Le Monde überhaupt? Glaubt bei diesen Zeitungen jemand, dass ein junger männlicher Erwachsener, der just eine gewisse Amokhaftigkeit oder IS-Affinität in sich aufsteigen fühlt wie eine seltsame Hitze, die Zeit liest und erkennt: Ooops, mein Gott, sie werden mich nicht abbilden, wenn ich nach meiner Selbstverwirklichungstat im Himmel bin – nee, wie doof, dann verzichte ich lieber und senke meine seelische Betriebstemperatur!?
Pornografische Oberflächen
Welch obskure Medienfantasie! Denken diese Blätter – Kernobjekte bildungsbürgerlicher Bewusstseinsbildung – ernsthaft, im Anblick liege eine Verstörungs- und Infektionsquelle geborgen, die gebannt werden könnte? Bilderverbote dienten dazu, die Bekehrten vom Glauben an ein konkret höheres Wesen zu befreien. Im wahren Leben waren Verzichte oder Verbote zum Zeigbaren nur dienlich in den (körper-)politischen Sphären des menschlichen Lebens: Frauen sollten sich deshalb unter viel zu viel Textilien packen, um keine sexuellen Reize zu verströmen. Der Effekt war stets der Gleiche, immer ging es um pornografische Oberflächen: Die Frau war nur noch Sex, nicht mehr Mensch an sich.
Zensur, so machte sich Karl Marx einst lustig, feuere nur Neugier an. Das Material, das vor den Blicken der anderen bewahrt werden soll, wird begehrt wie nichts anderes.
Für das Aktuelle gilt: Wer das Realistische nicht aushält, guckt ohnehin weg. Wer einen Täter sehen will, kann dies im Internet tun. Für Interessierte gibt es Medien sonder Zahl, da braucht es die oben genannten Zeitungen nicht. Außerdem: Was spricht eigentlich dagegen, die Täter zu erkennen, sie zu studieren – aller Kritik an der Fotografie als einfrierender Kunstform zum Trotz?
Hätte die Verpixelung der Twin Towers nach dem 11. September irgendeinen Islamisten davon abgehalten, zu tun, was er tun will? Etwa in Brüssel? Bei Charlie Hebdo? Vor dem jüdischen Supermarkt in Paris? In Bangladesch neulich oder in Nigeria Boko Haram? Was Täter anregt, sind ihre inneren Erzählungen. Folgten wir ihnen, hätte dies eine (Schau-)Verbotsorgie zur Folge – und die Täter hätten gewonnen.
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