Mecklenburg-Vorpommerns insolvente Werft: Ein Traumschiff zum Spottpreis
Der Disney-Konzern übernimmt das unfertige Kreuzfahrtschiff „Global One“ in Wismar. Er baut es zuende. Zig Millionen Landesbürgschaften sind futsch.
Die „Global Dream“, auch als „Global One“ bekannt, war ein großer Hoffnungsträger für den Werften-Standort Mecklenburg-Vorpommern. 2016 hatte der malaysisch-chinesische Genting-Konzern die MV-Werften in Wismar, Rostock und Stralsund gekauft. In Wismar wollte der Vergnügungskonzern ein gigantisches Kasino-Schiff bauen, das erste einer ganzen Flotte zum Eigengebrauch.
Mecklenburg-Vorpommern wäre zu einem bedeutenden Standort für den Kreuzfahrtschiffbau geworden. Doch dann verhagelte die Coronakrise Genting das Geschäft. Der Konzern musste im Januar Insolvenz anmelden. Knapp 1.900 Mitarbeiter im Land standen vor einer ungewissen Zukunft.
Fast ein Jahr lang hat Insolvenzverwalter Christoph Morgen nach einem Investor gesucht, bis er vor zwei Wochen verkünden konnte: „Die ‚Global One‘ wird hier in Wismar für Disney Cruises zu Ende gebaut.“ Der Insolvenzverwalter wollte unter Hinweis auf die „vertraglich vereinbarte Verschwiegenheit“ nichts zum Verkaufsprozess sagen. Disney bestätigte aber in einem Blog-Eintrag, das Schiff zu einem „günstigen Preis“ erworben zu haben.
Disney verzichtet auf Gewährleistungsansprüche
Aus Sicht des Geschäftsführers der Meyer-Werft ein Erfolg. Die Nachricht der Insolvenz der MV-Werften sei wie eine Welle durch das Schiffbau-Netzwerk gelaufen, zitierte ihn die Deutsche Presseagentur. Aufgrund des hohen Vernetzungsgrades der Branche mit ihren vielen Zulieferern sei hierdurch die gesamte maritime Industrie infrage gestellt worden. Meyer habe sich daher selbst intensiv darum bemüht, einen Weiterbau zu ermöglichen.
Damit verbunden ist offenbar ein Verzicht Disneys auf Gewährleistungsansprüche, was den aktuellen Zustand des Schiffes anbelangt. Außerdem wird die Papenburger Meyer-Werft im Auftrag Disneys umfangreiche Umbauten vornehmen. Die Werft übernimmt nun den Standort Wismar. Von Medien ins Spiel gebrachte Kosten von einer Milliarde Euro sind nach Auskunft der Meyer-Werft aber reine Spekulation. „Viele Details des Umbaus sind noch gar nicht final abgestimmt“, sagte Sprecher Peter Hackmann.
Klar ist, dass das Konzept des Schiffes umgemodelt wird: von einem Schiff, auf dem 9.500 Passagiere möglichst rund um die Uhr an Spielautomaten gefesselt sein sollten, zu familienfreundlicher Unterhaltung mit rund 6.000 Passagieren. Im Disney-Blog äußern Kommentatoren schon die Befürchtung, dass Qualitätsstandards in Design, Ausführung und Platzangebot womöglich nicht eingehalten werden könnten.
Hackmann räumt ein, dass es sich um ein Großprojekt handele. Günstig für einen Umbau sei, das zwar der Stahlbau fertig, der Innenausbau aber noch nicht weit sei. Angekündigt hat die Werft auch einen neuen Antrieb: „Das Schiff wird von der neu gegründeten Meyer Wismar zu einem der ersten methanolbetriebenen und damit zu einem der umweltfreundlichsten Schiffe auf den sieben Weltmeeren umgebaut.“
Allerdings wird die „Global Dream“ wohl auch das letzte Kreuzfahrtschiff sein, das in Mecklenburg-Vorpommern gebaut wird. Wenn der Auftrag 2025 hoffentlich abgewickelt ist, wird Thyssen-Krupp-Marine-Systems die Werft in Wismar übernehmen, um in Zukunft Kriegsschiffe nicht zuletzt für die Bundesmarine zu bauen. Den Standort Rostock übernimmt der Bund, um ein Marine-Arsenal daraus zu machen, in dem Kriegsschiffe instand gehalten werden. In Stralsund versucht die Stadt aus dem Werftgelände einen Gewerbepark zu machen.
Für die Gewerkschaft IG Metall Küste ist der Weiterbau der „Global One“ „ein wichtiger Teil der Brücke in die Zukunft des Standortes“, wie Bezirksleiter Daniel Friedrich sagte. „Alle sind erleichtert, dass das nicht verschrottet werden muss.“
Verschrottung wäre teuer geworden
Ähnlich sieht das auch FDP-Fraktionschef René Domke. Der Vorteil sei, dass die Beschäftigung beim Weiterbau anders als bei einer Verschrottung vor Ort erhalten bleibe. Zudem sei ungewiss, was bei einer Verschrottung angesichts der Kosten vom Schrottwert übrig geblieben wäre.
Die IG Metall wies darauf hin, dass das Know-how für den Um- und Weiterbau an den Standorten zurzeit noch vorhanden sei. Es müsse nun von den Unternehmen gesichert werden. Deshalb sei es auch gut, dass die Transfergesellschaft, in der ein Gutteil der ehemaligen Werftmitarbeiter weiterbeschäftigt wird, bis Ende Januar 2023 verlängert wurde.
„Meyer braucht die Menschen in Wismar“, sagte IG-Metall-Sprecher Heiko Messerschmidt. Meyer werde in den nächsten Tagen mit dem Insolvenzverwalter, Thyssen-Krupp und der IG Metall besprechen, wie sich die Manpower für den Weiterbau organisieren lasse, bestätigt Werftsprecher Hackmann.
In Medien erhobene Vorwürfe, der Genting-Konzern habe schon vor Ausbruch der Coronakrise Zahlungsschwierigkeiten gehabt, wies der Insolvenzverwalter zurück. „Auf Grundlage der beim Insolvenzverwalter eingegangenen Anmeldungen ist es falsch, dass Zulieferer beklagen, es seien Rechnungen in Millionenhöhe offen“, teilte er mit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis