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Mecklenburg-Vorpommern: Schießen mit NeonazisDie Räuberpistole

Lorenz Caffier hat als Innenminister eine Waffe von einem rechtsextremen Prepper gekauft – oder sogar geschenkt bekommen. Eine wahre Geschichte aus Mecklenburg-Vorpommern

Illustration: Imke Staats

Von Sebastian Erb

Stellen Sie sich vor, ein Innenminister besorgt sich eine Waffe bei einem Rechtsextremisten. Und zwar bei einem, der Mitglied einer Gruppe war, für die sich alle möglichen Geheimdienste und Ermittlungsbehörden interessieren, weil Mitglieder unter Terrorverdacht stehen.

Klingt unglaubwürdig? Herzlich willkommen in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Waffe ist eine Glock 19, eine halbautomatische Pistole Kaliber 9 mal 19 mm, unverbindliche Preisempfehlung: 690 Euro. Der Minister heißt Lorenz Caffier, 66, CDU, er wurde 2006 Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern. Als Jäger braucht er eine Pistole für den Fangschuss, um ein verletztes Tier aus kurzer Entfernung zu töten.

Caffier hat sich Anfang 2018 so eine Glock 19 besorgt. Soweit, so unspektakulär – wenn er einfach in ein gewöhnliches Waffenfachgeschäft gegangen wäre. Ging er aber nicht. Deshalb ist Caffier vor einem knappen Jahr von seinem Amt zurückgetreten, als dienstältester Innenminister Deutschlands. Und so lässt sich etwas erzählen über fehlende Distanz und fehlendes politisches Gespür. Über den Umgang mit Rechtsextremismus. Und auch über ein Bundesland, in dem kritische Nachfragen nicht alltäglich sind.

Am Anfang war es ein Gerücht, dem wir nachgegangen sind. Hat Caffier bei einem Mann namens Frank T. eine Waffe gekauft? Er ist Waffenhändler und Betreiber eines Schießplatzes in Mecklenburg-Vorpommern, Großer Bockhorst heißt der und liegt am Rand von Güstrow. Dort hat die Landespolizei trainiert und Caffier war Schirmherr eines Wettkampfes von Spezialkräften, den Frank T. zusammen mit dem Landeskriminalamt jährlich veranstaltete. Man kennt sich.

Bereits im Sommer 2017 wussten Nachrichtendienste und das BKA noch andere Dinge über Frank T.: Er war Mitglied bei Nordkreuz, einer Gruppe von etwa 40 Männern und sehr wenigen Frauen, die sich auf einen „Tag X“ vorbereiten, eine drohende Katastrophe. Darunter verstanden sie etwa, dass Geflüchtete das Land überrennen. In der Gruppe waren viele Polizisten und Reservisten. Sie haben nicht nur Konserven und Benzin gehortet, sondern auch Waffen und zehntausende Schuss Munition. Einzelne Mitglieder der Gruppe sollen geplant haben, am Tag X politisch unliebsame Menschen zu töten, es wurden Feindeslisten gefunden. Der Generalbundesanwalt ermittelt wegen Rechtsterror.

Caffier hat sich zunächst zupackend gezeigt. Er hat eine Kommission ins Leben gerufen, die herausfinden sollte, wie viele Prepper es im Land gibt und wie gefährlich sie sind. Der Abschlussbericht wurde aber erst veröffentlicht, als das Innenministerium von einem Gericht dazu gezwungen wurde. Im Grunde das einzige Ergebnis ist ein Begriff: „radiPre“, radikalisierte Prepper. Warum der Verfassungsschutz von Mecklenburg-Vorpommern zum gesamten Nordkreuz-Komplex selbst so gut wie nichts herausbekam, hat die Kommission gar nicht erst untersucht.

Fragen der taz zu Caffiers Waffe hat sein Ministerium entweder gar nicht beantwortet oder versucht zu umschiffen. Als wir Caffier im November 2020 persönlich auf einer Pressekonferenz befragten, erklärte er die Waffenfrage zur Privatsache und betonte: „Privatbereich bleibt Privatbereich, auch in Zukunft.“ Einen Tag später gab er in einem Spiegel-Interview den Kauf zu und behauptete, er sei arglos gewesen. Aber wie arglos kann und darf man bitteschön sein als oberster Chef von Polizei und Verfassungsschutz?

Fünf Tage nach der Pressekonferenz trat Caffier zurück. Es habe ihn zutiefst verletzt, sagte er, dass in der Berichterstattung eine Nähe zu rechten Kreisen suggeriert worden sei. Nun gut: War halt so. Das heißt ja nicht, dass er sich an anderer Stelle nicht auch gegen Rechtsextremismus eingesetzt hat. Mit dem Rücktritt wollte Caffier offenbar auch weiteren Nachfragen aus dem Weg gehen. Zum Beispiel der Frage, wann genau er die Pistole gekauft und was er dafür bezahlt hat.

Denn Caffier hat womöglich gelogen. Die Er­mitt­le­r:in­nen gehen inzwischen davon aus, dass er die Pistole gar nicht gekauft hat, sondern geschenkt bekam. Sie fanden nämlich bei Frank T. keinen Beleg über den Verkauf. Im August 2021 leitet die Staatsanwaltschaft Rostock ein Ermittlungsverfahren gegen den Ex-Innenminister ein: Caffier wird Vorteilsannahme vorgeworfen, das ist sozusagen eine milde Form von Korruption.

Auch gegen den Waffenhändler Frank T. wird nach wie vor ermittelt. Vielleicht hat er im Winter 2018 gehofft, dass er mit der Pistole für Caffier die Beziehung zu einer wichtigen Kundin pflegen kann, der Landespolizei. Oder er hoffte, sich selbst mit einem großzügigen Geschenk retten zu können. Er wusste ja damals bereits, dass ihm die Sache mit Nordkreuz auf die Füße fallen kann. Und es kann ja helfen, wenn man sich ein bisschen besser kennt.

Alle Texte der taz.Recherchen rund um Nordkreuz finden sich hier: taz.de/hannibal & zum Nachhören als Podcast: https://blogs.taz.de/hausblog/hannibal-zum-hoeren/

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