Mauschelfunktionär Wolfgang Niersbach: Die Verhunzung des Amtes
Niersbach möchte unbedingt Funktionär der Fifa und Uefa bleiben. Er sichert sich den Beistand des DFB-Chefs und attackiert Franz Beckenbauer.
![Wolfgang Niersbach Anfang Dezember in der Zentrale der Fifa in Zürich. Wolfgang Niersbach Anfang Dezember in der Zentrale der Fifa in Zürich.](https://taz.de/picture/869759/14/Wolfgang_Niersbach_Fifa_dpa_dec2015.jpeg)
Niersbach musste zwar nach der WM-Affäre als Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) abdanken, aber sein Renommee scheint nur auf nationaler Ebene beschädigt zu sein. Gelingt Niersbach der Grenzübertritt in die Schweiz, wo die Fußballverbände angesiedelt sind, dann steigt auf wundersame Weise seine Reputation.
Aus dem Mauschelfunktionär wird offensichtlich ein Musterfunktionär. So sehen es jedenfalls ehemalige Mitstreiter. „Niersbachs Rücktritt als DFB-Präsident hat keine Auswirkungen auf seine internationalen Ämter“, sagt Rainer Koch, Interimspräsident des DFB, in einem Interview.
Es gebe „zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Anzeichen“, dass Niersbach erneut zurücktreten müsse. „Er hat über Jahrzehnte sehr viele internationale Kontakte aufgebaut. Es wäre ja töricht, sein Angebot, uns Türen zu öffnen und sich für unser Vorhaben einzusetzen, auszuschlagen“, sagte Koch, „zumal die aktuellen Themen beim DFB rund um die Vergabe der WM 2006 auch international viele Fragen aufgeworfen haben, die sicher keinen Rückenwind für unsere EM-Bewerbung auslösen.“
Umso wichtiger sei es, „dass Niersbach die laufenden Aufklärungsprozesse beim DFB im Einklang mit uns international vermittelt.“
Das ist ein Klassiker: Der Bock wird zum Gärtner gemacht. Jemand, der möglicherweise dem Verband dabei geholfen hat, Steuern in Millionenhöhe zu hinterziehen, der in der Affäre ein desaströses Krisenmanagement betrieben hat und keinen substanziellen Beitrag zur Klärung der Geldflüsse beisteuern konnte, soll nun also für den DFB den Weg zur EM 2024 ebnen.
Für Koch geht das Handwerk des Netzwerkens über Integrität. Folgt man diesem zumindest partiell amoralischen Ansatz, dann wird jede Ermittlung gegen korrupte Fifa-Funktionäre zur Makulatur.
Den Ernst der Lage nicht verstanden
Kochs Äußerung beweist nur, dass man in gewissen Kreisen immer noch nicht verstanden hat, wie ernst die Lage ist. Noch befinden sich die Ermittlungen gegen die Verbandsfunktionäre am Anfang.
Daran beteiligt ist nun auch die schweizerische Anwaltschaft. Wie Spiegel Online berichtet, hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft ihre eidgenössischen Kollegen eingeschaltet. Die Strafverfolger in Bern haben in der vergangenen Woche ein Rechtshilfeersuchen erhalten. Gegen den DFB wird im Zusammenhang mit der Vergabe der WM 2006 wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem „besonders schweren Fall“ ermittelt.
Es droht eine hohe Steuernachzahlung
Die Frankfurter Strafverfolger wollen klären, wann und wofür der bis zu seinem Tod in der Schweiz lebende ehemalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus den deutschen WM-Bewerbern 6,7 Millionen Euro geliehen hat. Dem DFB, der die Summe als Betriebsausgabe auswies, könnte eine Steuernachzahlung von bis zu 25 Millionen Euro drohen, wenn die Gemeinnützigkeit für das Jahr 2006 aberkannt wird. Anfang November hatten Steuerfahnder neben der DFB-Zentrale in Frankfurt unter anderen auch das Privatanwesen von Niersbach durchsucht.
Niersbach versucht derweil hektisch, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen: Der 65-Jährige hat Franz Beckenbauer im Gespräch mit der DFB-intern ermittelnden Kanzlei Freshfields belastet. Das geht aus Protokollen hervor, die der Bild-Zeitung vorliegen.
Demnach sei die Zahlung von 6,7 Millionen Euro an die Fifa-Finanzkommission geflossen, um damit 2002 die Wiederwahl von Präsident Joseph S. Blatter zu finanzieren. Beckenbauer habe Niersbach angeblich im Jahr 2002 nach Blatters Wiederwahl gesagt: „Der ist auch mit meinen Geld gewählt worden.“
Das offizielle Ergebnis der Freshfields-Ermittler soll Ende Februar vorliegen. Der DFB will den Bericht öffentlich machen – ein zweifelhaftes Vergnügen für Wolfgang Niersbach.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!