Maulkorb für Israel-Verteidiger: Platzverweis für „Israel“-Ruf
Bei einem Hamburger Protestmarsch gegen den Gaza-Krieg schickt die Polizei einen Kritiker weg, weil er Gefahr lief, von Demonstranten angegriffen zu werden.
HAMBURG taz | Die Hamburger Polizei hat einem Mann einen Platzverweis erteilt, weil er während einer Demonstration gegen den Gaza-Krieg wiederholt „Israel“ rief. Die Polizei schickte ihn mit der Begründung weg, er habe die Menge gegen sich aufgebracht. „Sie waren im Begriff, sich auf ihn zu zu stürzen“, sagte eine Polizeisprecherin. Der Hamburger Staatsrechtler Ulrich Karpen hält den Platzverweis für unverhältnismäßig.
Bei den Demonstrationen gegen die Kriegsführung Israels im Gazastreifen und die Besetzung palästinensischen Landes durch Israel war es in den vergangenen Wochen in verschiedenen norddeutschen Städten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. In Hannover wurden Ende Juni pro-israelische Gegendemonstranten angegriffen, als sie eine Israel-Fahne zeigten. In Göttingen schlugen sich die Teilnehmer einer „Demonstration für Gaza“ mit Gegendemonstranten. In Bremen wurde bei einer pro-palästinensischen Demonstration Mitte Juli ein Passant schwer verletzt, als er einem taz-Reporter beistehen wollte.
In Hamburg hatte Ende vergangener Woche die Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland (PGD) zur Demonstration aufgerufen. Dabei wurden, so beschreibt es der Blogger Gerd Buurmann auf WWW.TAPFERIMNIRGENDWO.COM, Parolen wie „Kindermörder Israel“ und „Frauenmörder Israel“ gebrüllt. Ein ehemaliger CDU-Bezirksabgeordneter, der seinen Namen nicht genannt wissen möchte und auch nicht mit der Presse sprechen will, kam auf dem Weg zum Einkaufen vorbei und begann „Israel, Israel“ zu rufen. Daraufhin haben laut Buurmann Männer aus dem Protestmarsch versucht, auf ihn loszugehen.
Die Rufe aus der Demonstration seien ebenso wie die „Israel“-Rufe von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen, sagt Polizeisprecherin Karina Sadowski. Aber der einzelne Mann habe die Menge gegen sich aufgebracht. „Es bestand die Gefahr, dass etwas passiert“, sagt Sadowski. „Die hätten ihn ja irgendwann angegriffen.“ Die Polizei habe den Mann daher gebeten, zu gehen und, als er sich weigerte, seine Personalien aufgenommen und ihn des Platzes verwiesen.
„Das macht keiner gern“, versichert Sadowski. Sie spricht von einem Dilemma, in dem ihre Kollegen gesteckt hätten, schließlich sei die Demonstration angemeldet gewesen. Die Meinungsfreiheit des einsamen Rufers bleibe gewahrt, weil er jederzeit eine eigene Demo anmelden könnte.
Der Staatsrechtler und ehemalige CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karpen sieht das anders: Bei einer Demonstration aus dem Publikum heraus eine Gegenmeinung kundzutun, sei zulässig, es sei denn, es handelte sich um eine schwere Beschimpfung. „Solange er sich dem Zug nicht in den Weg stellt und nicht tätlich wird, ist es unzulässig, ihn wegen der Äußerung einer Gegenmeinung zu belangen“, findet Karpen.
Eine solche Demonstration bezwecke ja gerade, eine Meinungsbildung zu dem Thema zu ermöglichen. Dass Gegenmeinungen geäußert würden, sei verständlich, so Karpen. Wenn jemand des Platzes verwiesen werde, sei das ein polizeilicher Eingriff von großem Gewicht. Im vorliegenden Fall sei er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht verhältnismäßig gewesen.
In Niedersachsen beschäftigt sich das Parlament mit den Gaza-Demonstrationen, weil dabei zum Teil auch antisemitische Parolen gerufen wurden. Die oppositionellen Christdemokraten haben das Thema in den Landtag eingebracht.
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