Mauerpark-Attraktion gefährdet: Flohmarkt im Angebot
Den Betreibern des stets übervollen Sonntagsmarkts wurde der Mietvertrag gekündigt. Nun gibt es eine neue Ausschreibung.
Eine der größten Touristenattraktionen Berlins steht vor einer ungewissen Zukunft. Den Betreibern des sonntäglichen Flohmarkts im Mauerpark wurde der Mietvertrag gekündigt – ohne Nennung von Gründen. Ende September ist Schluss. Lars Herting, einer der beiden Gründer und drei Betreiber des Markts, sieht sich um die Früchte seiner Arbeit betrogen. „Wir haben nichts falsch gemacht“, sagte er am Donnerstag der taz. Mit einer Onlinepetition versuchen die Betreiber seit Mittwochabend, Druck auf den Eigentümer des Geländes, die österreichische CA Immo AG, aufzubauen. Die Resonanz sei „super“, freut sich Herting. Tatsächlich haben innerhalb eines Tages bereits mehr als 6.500 Menschen die Petition unterschrieben.
Seit knapp zehn Jahren organisieren Herting und seine beiden Kollegen den Flohmarkt, der inzwischen in jedem Berlinreiseführer steht. Dafür gibt es mehrere Gründe: Auf dem Markt verkaufen zahlreiche Kreative T-Shirts, Fotos und andere Berlinsouvenirs, dazu gibt es Möbelhändler, jede Menge Essensstände und einige Prenzlberger Muttis, die nicht mehr benötigte (Baby)-Kleidung feilbieten. Noch wichtiger: Parallel dazu herrscht Partystimmung im angrenzenden Park. Straßenmusiker und eine Karaokeshow lockende Tausende Menschen an. Von 30.000 bis 40.000 Besuchern des Markts jeden Sonntag spricht Herting und fügt hinzu: „Das hier hat Festivalcharakter.“
Es gibt Interessenten
Die CA Immo will das nach eigenem Bekunden auch gar nicht ändern. „Wir wollen den Flohmarkt erhalten“, betont Firmensprecher Markus Diekow. Deswegen gebe es eine neue Ausschreibung: Bis 28. Juli können sich Interessenten – von denen sich bereits einige gemeldet hätten – bewerben und ihr Konzept einreichen. Das Ziel sei, den Markt auch über September hinaus „nahtlos fortzuführen“.
Aber eben nicht mehr mit den bisherigen Betreibern. Diekow will nichts zu den Gründen für die ordentliche Kündigung sagen – das sei ein interner Vorgang zwischen Vermieter und Mieter –, lässt aber durchblicken, dass das Verhältnis zwischen beiden schon länger getrübt sei. Lars Herting hingegen fühlt sich schlecht behandelt. Er erfahre von Vorwürfen lediglich über Dritte, die etwa lauteten, dass sich die Betreiber nicht an Feuerwehrvorschriften gehalten hätte. Ihr Vermieter rede aber seit einigen Monaten nicht mehr mit ihnen. Mietschulden bestünden nicht, betont Herting, der Flohmarkt sei „profitabel“.
Was wohl eher eine Untertreibung ist, wie erfahrene Flohmarkthändler berichten. Sie vermuten denn auch finanzielle Interessen hinter der Kündigung: Die CA Immo wolle mehr Miete einnehmen. Tatsächlich wurde diese nach Auskunft von Herting in den zehn Jahren nicht erhöht. Und viel Chancen haben die CA Immo nicht mehr. Das Gelände wird im Zuge der Erweiterung des Mauerparks ans Land Berlin fallen, voraussichtlich schon 2015. Hintergrund ist der bereits beschlossene Deal zwischen Politik und Eigentümer, dass im Norden des Parks – also jenseits des Gleimtunnels – Wohnungen gebaut werden dürfen, während im Gegenzug diesseits des Tunnels im Süden das Parkgelände erweitert wird. Dafür muss noch ein Bebauungsplan vom Bezirk Mitte beschlossen werden. Der Markt ist darin vorgesehen, es werde ein Sondergebiet Flohmarkt geben, sagt der zuständige Baustadtrat von Mitte, Carsten Spallek (CDU).
Höhere Standpreise
Sollte die Miete nun von der CA Immo tatsächlich erhöht werden, so Flohmarktkenner, müssten wohl auch die Standpreise erhöht werden. Viele weniger profitorientierte Verkäufer könnten sich das nicht mehr leisten, darunter leide dann der Charme des Flohmarkts. Die CA Immo bestreitet indes finanzielle Erwägungen.
Die Entscheidung über den neuen Betreiber könnte bereits kurz nach Ablauf der Bewerbungsfrist in einem Gespräch fallen, in dem neben dem Eigentümer auch die beiden Bezirke Mitte und Pankow, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die Bürgerwerkstatt Mauerpark die eingegangenen Bewerbungen und Konzepte begutachten. „Da hat jeder eine Chance“, sagt Stadtrat Spallek, der allerdings nicht selbst bei dem Treffen dabei sein wird. Und die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Daniela Augenstein, betont, wichtigstes Ziel sei, dass es „keine Unterbrechung“ gebe und „der Geist des Mauerparks im Flohmarkt erhalten bleibt“. Darauf hoffen auch Lars Herting und seine Kollegen: Sie werden sich bewerben, kündigte er am Donnerstag an.
Es dürfte – selbst wenn sie erfolgreich sein sollte – nicht die letzte Bewerbung sein. Denn wenn das Gelände im Laufe des kommenden Jahres dann Berlin gehört, so Daniela Augenstein, muss das Land einen neuen Mietvertrag machen. Und das darf es gar nicht, ohne erneut den Markt auszuschreiben.
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