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Matthias Güldner (Grüne) im taz-Interview„Mir fehlt das Entsetzen“

Innensenator Mäurer (SPD) verteidigt den Polizei-Einsatz im „Gleis 9“. Der Grüne Fraktionschef Matthias Güldner kann das nicht nachvollziehen

Findet nicht alles "völlig korrekt": Grünen Fraktionschef Matthias Güldner Bild: Archiv
Jean-Philipp Baeck
Interview von Jean-Philipp Baeck

taz: Herr Güldner, der SPD-Innensenator Mäurer äußerte sich in einem Interview zum Gewalteinsatz von Polizisten in der Disko „Gleis 9“. Den Einsatz nannte er „völlig korrekt“. Teilen Sie diese Einschätzung?

Matthias Güldner: Das ist eine Schlussfolgerung, die sich nur schwer nachvollziehen lässt.

Mäurer argumentiert, es werde nur gegen einen Polizisten ermittelt.

Das ist ein merkwürdiges Argument, weil auch ein einzelner Beamter durchaus erheblich ist in so einem Einsatz. Zumal das Verhalten der übrigen Beamten zumindest in der Hinsicht hinterfragt werden muss, inwieweit sie dem Kollegen hätten Einhalt gebieten müssen.

Auf dem Video ist zu sehen, dass sie stattdessen den 28-jährigen Diskobesucher festhalten, während ihr Kollege schlägt und tritt. Muss man für eine Bewertung das ungeschnittene Material kennen, wie Mäurer betont?

Selbstverständlich ist der Kontext wichtig. Wenn das längere Video entlastende Momente enthält, wäre es ja naheliegend, es ebenfalls zu veröffentlichen. Aber, die Prügelszene bleibt die Prügelszene. Und niemand behauptet, dass sie im Video manipuliert oder gefälscht wäre.

Auch Polizeipräsident Lutz Müller weist zurück, dass es Fehlverhalten gegeben habe.

Es fällt auf, dass der Polizeipräsident, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei und der Innensenator sehr stark die entlastenden Momente betonen. Das ist so auch erst mal in Ordnung. Mir fehlt aber bei allen dreien das Entsetzen darüber, dass, zumindestens allem Anschein nach, ein unbewaffneter, am Boden liegender Mensch mit Stiefeln getreten und mit dem Schlagstock geschlagen wird.

Formal ist es eine Festnahme …

… die sehr stark an Szene aus U-Bahnhöfen erinnert, wo Schläger zutreten und schlagen. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass die Verantwortlichen diesen Aspekt völlig unkommentiert lassen. Es ist auch ihre Verantwortung, dass in Ausbildung und täglicher Führung der Polizei solche Dinge angesprochen und abgestellt werden.

Ist es nicht auch die Aufgabe des Dienstherren, sich vor seine Polizei zu stellen?

Dass Herr Mäurer sich vor Beamte stellt, kann die Polizei zu recht erwarten. Umgekehrt muss er auch klare Worte finden, bei Situationen, die mit einer demokratischen Polizeikultur nichts zu tun haben. Die Aufarbeitung des Einsatzes aus dem Video ist dabei bei Weitem zu kurz gekommen.

Woher kommt das?

In Situationen wie diesen stehen Reflexe im Vordergrund, die sich anscheinend nur durch die große Nähe der Akteure in diesem Bereich erklären zu lassen. An der grundsätzliche Einstellung der jetzigen Ressort- und Polizeiführung zu einer modernen demokratischen Polizei habe ich jedoch keinen Zweifel.

Führt die Überlastung der Beamten nicht auch dazu, dass überreagiert wird?

Das ist vollkommen an den Haaren herbeigezogen. Die Personalstärke, die zur Zeit über der langjährigen Zielzahl liegt, kann niemals eine Rechtfertigung für Gewalt gegen Menschen sein.

Das Opfer war anscheinend ja auch kein Unschuldslamm.

Ob es nun ein Familienvater ist oder die Person Vorstrafen hat, darf bei der Frage, ob es unnötige Gewalt durch einen Polizeibeamten gab, keine Rolle spielen.

Sowohl Horst Goebel von der Gewerkschaft der Polizei als auch Innensenator Mäurer erklären, dass Gewaltanwendung zum Alltag der Polizei gehört.

Das ist in der Tat Polizeialltag und hat mit dem Gewaltmonopol des Staates zu tun. Aber, selbstverständlich ist das kein Freibrief, willkürlich Gewalt auszuüben. Diese Fälle kann Herr Goebel nicht meinen.

Er weist auch darauf hin, dass die Gewalt gegen Polizisten zunimmt.

Das muss absolut Thema sein und ist inakzeptabel. Gleichwohl heißt die Existenz von Gewalt gegen Polizisten nur, dass die angemessene professionelle Reaktion umso mehr integraler Bestandteil der Ausbildung, Fortbildung und Führung sein muss.

Wäre alles besser mit einem grünen Innensenator?

Es ist ein sehr harter Job, man ist permanent mit Fragen um Gewalt und Verbrechen konfrontiert. Ulrich Mäurer gehört zu den besten und fortschrittlichsten Innenministern Deutschlands.

Die Grünen machen es ihm mit der Sparpolitik nicht einfach …

Die Besoldung ist ja kein grünes Thema.

Ist Finanzsenatorin Linnert nicht bei den Grünen?

Die Besoldung wurde von fünf sozialdemokratischen Senatoren und 35 Abgeordneten der SPD mehrfach beschlossen. Es ist nicht gelungen, dass man versucht, die unangenehmen Dinge bei den Grünen abzuladen. Wenn einer käme und behauptet, dass man, wenn man zehn oder 20 Euro Gehaltserhöhung im Monat nicht bekommt, jemanden zusammenschlägt, dann würde ich wirklich an der demokratischen Kultur zweifeln.

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4 Kommentare

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  • DM
    Dr. Manhattan

    Korrektur: Eisenberg hieß Tenessee und nicht Jesse. Sorry

  • DM
    Dr. Manhattan

    Dieser Fall ist nicht zur Diskussion geeignet. Der Familienvater, ein übler Typ, polnischer Schläger, mit Polizeihaßparolen tätowiert, alkoholisiert, aggressiv, geht in dem Video die Garderobenfau an, will richtig zulangen.... Wie willst du den ausbremsen, mit lieben Worten? Wenn der auf Brast ist, schlägt der ohne Rücksicht zu. Ich hab nicht viel übrig für die Polizei, schon gar nicht wenn psychisch Kranke sicherheitshalber exekutiert werden oder wie Jesse Eisenberg von Kugeln zersiebt sind. Aber hier trafen sich Schläger auf gleicher Augenhöhe. Da gibt es nichts zu jammern. Cops müssen auch hart sein, denn draußen laufen genug Typen rum, die ein Contra brauchen. Oder was Herr Güldner, wenn so ein Familienvater ihm mal einfach so die Fresse poliert?

  • K
    Kimme

    @anke

    Recht haben Sie damit, dass die Polizisten besonnen und zurückhaltend auftreten sollten ebenso wie sie unnötige Gewalt vermeiden sollten.

    Leider hat sich der Berufsalltag der Polizisten in den letzten 20 Jahren stark verändert. Widerstand gegen die Staatsgewalt ist keine Ausnahme mehr sonder vielmehr die Regel. Auch ist der Gebrauch von Waffen in handgreiflichen Auseinandersetzungen deutlich gestiegen.

    Wenn jemand mit einer abgebrochenen Bierflasche auf mich los geht, frag ich doch nicht erst nach den Ausweispapieren, sondern mache ihn kampfunfähig. Wenn er sich bei der Festnahme anschließend wehrt, bekommt er dann halt noch einen tritt in die Seite, damit er merkt wer in der stärkeren Position ist. So schön es auch wäre, dies alles ohne Gewalt lösen zu können, aber leider verstehn viele Halbstarke von heute keine andere Sprache mehr als die Gewalt bzw. das Recht des Stärkeren.

    Zusätzlich muss man auch sagen, dass wir eine der friedlichsten und zuverlässigsten Gesetzeshüter weltweit haben - auch wenn dies viele nicht wahr haben wollen.

     

    Um sie jetzt nicht in die Irre führen zu wollen, muss auch ich gestehen, dass ich die Untersuchung des Falls richtig finde und hoffe, dass am Ende eine gerechte Beurteilung und (sollte dies nötig sein) eine gerechte Verurteilung stehen.

  • A
    anke

    Der Kontext? Was soll er denn bringen? Ich meine: Mit welchem Recht will eigentlich ein Innensenator von den Bürgern seiner Stadt verlangen, dass sie ihre Wut im Zaum halten und der Polizei nicht gewaltsam die Arbeit abnehmen, wenn ausgerechnet seine Polizisten zur Selbstbeherrschung nicht fähig zu sein brauchen?

     

    Ich finde, es wäre ein Akt der Selbstbehauptung, würde Herr Mäurer seinen Beamten wenigstens im Nachhinein ihre Grenzen aufzeigen, wenn er schon nicht in der Lage ist dafür zu sorgen, dass sie sie von selber einhalten. Ein Vorgesetzter, der zu nichts weiter gut ist als dazu, die Dummheiten seiner Jungs nachträglich zu rechtfertigen, ist nämlich verzichtbar. Faule ausreden hätten die Omas des Prügel-Polizisten und seiner uniformierten Freunde und Helfer vermutlich auch gefunden. Und billiger wären die den Steuerzahler allemal gekommen.