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Mattel-Puppe mit neuem OutfitBarbie entscheidet sich fürs Kopftuch

Sibel Schick
Kommentar von Sibel Schick

Die erste verschleierte Barbie kommt auf den Markt und stößt auf Kritik. Dabei hat sie schon immer frauenfeindliche Schönheitsideale verbreitet.

Ibtihaj Muhammad mit der nach ihr modellierten Barbie Foto: reuters

B arbie (Barbara Millicent Roberts) kam am 9. März 1959 in Wisconsin auf die Welt. Ihre Schöpferin Ruth Handler ist die Mitgründerin des US-Spielzeugherstellers Mattel. Als sie ihrer kleinen Tochter beim Spielen zuschaute, entdeckte Handler eine Marktlücke: Eine Puppe in Form einer jungen Frau, die man an- und ausziehen und frisieren kann. Bis dahin spielten kleine Kinder mit pummeligen Babypuppen oder mit Papierfiguren zum Ausschneiden. Handler benannte ihre Schöpfung nach ihrer Tochter Barbara.

Diese Barbie zeichnet sich dadurch aus, dass sie durch umtauschbare Kleidung und Accessories nach der Fantasie des Kindes gestaltet werden kann „Durch Barbie wird das Mädchen das, was sie werden möchte. Barbie steht dafür, dass Frauen eine Wahl haben“, so Handler.

Die neueste Wahl, die Barbie getroffen hat, ist ein Kopftuch. Vorbild für die neue Barbie ist die US-amerikanische Olympiamedaillenträgerin Ibtihad Muhammad. Die Fechterin trägt wie die ihr nachempfundene Puppe Hidschab – ein Kopftuch, das die Haare, die Schulter und die Brüste überdeckt. Außerdem trägt die neue Barbie ein Fechtoutfit und einen Säbel. Ihr Körperbau ist der einer Sportlerin: Sie hat stärkere Beine als die gewöhnlichen Barbie-Storchenbeine und flache Füße.

Die klassische Barbie hat eine Körperform, die bei einem echten Menschen mindestens ungesund wäre: In einem solch dünnen Körper hätten die Organe keinen Platz. Ein wie die Puppe geformter Mensch könnte nicht einmal stehen – das kann allerdings auch die Puppe nicht. Man muss sie immer irgendwo anlehnen. Nach enormen Umsatzrückgängen hatte Mattel 2016 angefangen, Barbies mit verschiedenen Körperformen (größer, kleiner, kurviger, dünner) sowie Augen-, Haar- und Hautfarben herzustellen. Damit sollen Kinder unterschiedlicher Herkünfte und Hautfarben angesprochen werden.

Barbie muss gerettet werden – allerdings nur vor Kopftuch

Schon seit 2015 baut Mattel Barbies nach realen Vorbildern. Die Serie „Sheroes“ („she“ + heroes“ = Heldinnen), soll Kinder ermutigen, sich zu trauen, die Grenzen zu überschreiten, und ihnen zeigen, dass alles möglich ist (außer auf den eigenen Füßen zu stehen?). In dieser Serie wurde unter anderem die Regisseurin und Drehbuchautorin Ava DuVernay (Selma) nachempfunden, und jetzt auch Ibtihad Muhammad.

In Deutschland löste die neue Puppe rasch Reaktionen aus: Das Kopftuch sei frauenfeindlich, schrieben viele Internetnutzer*innen, unter anderem die antifeministische Autorin Birgit Kelle. Die Autorin stört sich an dem Kopftuch von Barbie: Die Unterdrückung der Frau sei kein Spielplatz. Kelle schrieb bei Twitter ironisch: „Und jetzt noch das Barbie-Spielhaus, um lustig nachzustellen, wie Ken seine Barbie auspeitschen oder steinigen lässt, weil sie den Hidschab abgelegt hat.“ Dafür erhielt sie eine Facebook-Sperre von sieben Tagen, die nach 24 Stunden aufgehoben wurde.

Dabei war gerade Kelle diejenige, die Frauen empfahl, sich lieber hochgeschlossen anzuziehen, um nicht sexuell belästigt zu werden. Kelle findet also, dass Mädchen und Frauen selbst Schuld sind, wenn sie von erwachsenen Männern belästigt werden, hält das aber für Unterdrückung, wenn sich eine Frau den Kopf bedeckt, weil sie sich unter anderem vor sexualisierten Gewalt schützen möchte. Doppelmoral muss man haben (oder islamophobische Vorurteile).

Einige Kommentare in den sozialen Netzwerken mögen nicht ernstzunehmen sein, sie zeigen jedoch wie weit verbreitet der Irrtum ist, dass die Unterdrückung der Frauen nur in muslimischen Räumen stattfindet. Dass Barbie keine Organe hat, und gefährliche Schönheitsideale verbreitet und normalisiert, unter deren Folgen weltweit Millionen von Frauen und Mädchen leiden, scheint nicht viele zu stören. Kaum jemand sagt „Gebt der Frau endlich mal was zu essen!“ Solange sie blond ist und die Haare offen trägt, scheint alles in Ordnung zu sein.

Eine Puppe für den Ruhm

Die neue Barbie wurde nach einem echten Vorbild gebaut, und dieses Vorbild trägt eben Kopftuch. Die Puppe trägt zum Ruhm von Ibtihad Muhammad bei, einer Frau, die nicht nur aufgrund ihres Geschlechts, sondern auch aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft und ihres Kopftuchs Diskriminierung ausgesetzt sein dürfte. Sie schaffte es soweit, eine Olympiamedaillenträgerin zu werden, nach der eine Barbie-Puppe gebaut wird. Wir haben hier nicht mit einem Opfer zu tun.

Die Öffentlichkeit, die die Sportlerin mit der Puppe erhält, ist eine Anerkennung, und die ist wichtig. Women of Color wurden zu lange die Chancen auf Erfolge verwehrt. Wenn sie dann Erfolg hatten, wurde der kaum thematisiert. Unabhängig davon, ob alle Barbies der Welt die Wahl selbst treffen sich zu verschleiern, weist die Puppe viele Mädchen mit Kopftuch darauf hin: Auch du kannst so sein wie Ibtihad.

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2 Kommentare

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  • Barbie trägt jetzt Hidschab!

     

    Wieder mal eine geschickte Werbeaktion der Firma Mattel - dumm sind diese Leute bestimmt nicht; es stellt sich aber die Frage, ob das ein Grund zum Jubeln ist.

     

    Ebenso könnte die Frage gestellt werden, ob es eigentlich eine entsprechende Änderung in der Erscheinung und im Leben von Ken oder einem anderen männlichen Begleiter Barbies gibt, und wenn nein, warum wohl nicht.

  • Scheint nicht so ganz einfach zu sein, die Sache mit den Vorurteilen!

     

    Dass wir es bei einer Olympiamedaillenträgerin nicht mit einem Opfer zu tun haben können, ist auch ein albernes Vorurteil, fürchte ich. Genau wie es ein Vorurteil ist, dass jede Frau, die aussieht wie Ibtihad Muhammadrbe, "Diskriminierung ausgesetzt [gewesen] sein dürfte“ vor ihrem ganz großen Durchbruch.

     

    Klar, Ibtihad Muhammad hat eine Grenze überschritten, die nicht jede Frau überwinden kann. Genau wie Barbie hat sie das (beinah) unmögliche geschafft: In einem Körper, wie ihn die wenigsten Frauen haben können, hat sie nicht nur überlebt, sondern auch internationalen Ruhm gelangt. Was es sie gekostet hat, möchte ich lieber nicht so genau wissen. Es genügt mir, wenn ich weiß: Genau wie Barbiepuppen, werden Olympiasiegerinnen niemals „auf den eigenen Füßen [..] stehen“. Ohne das IOC, ohne ihre Trainer und ohne ein Publikum, das Helden braucht, um sich von seiner eigenen Unmündigkeit und Unperfektheit abzulenken, wäre diese Frau ein Nichts. Zumindest wäre sie gar nicht Besonderes.

     

    Wieso fragt sich eigentlich so selten wer, ob die „Anerkennung“ einer sensationsgeilen Öffentlichkeit immer gut und vor allem "wichtig" sein muss für die davon betroffene Person? Ich meine: Michel Jackson und Whitney Houston wurden auch „anerkannt“. Kaum jemand wurde so gerühmt wie diese Beiden. Zu jung gestorben sind sie trotzdem. Womöglich wäre ihnen ihr Ruhm besser bekommen, hätten sie vorher selbständig laufen gelernt. Vielleicht wär die angebliche „Chance“ dann nicht nur ein viel zu großes Risiko gewesen für die Zwei.

     

    Stimmt schon: Diese Puppe weist „viele Mädchen mit Kopftuch darauf hin“, dass auch sie „so sein [können] wie Ibtihad Muhammad“. Ich wünschte bloß, irgend jemand würde eben diesen Mädchen in der selben Lautstärke mal sagen: „Müssen müsst ihr aber nicht!“ Matel, fürchte ich, wird das eher nicht tun. So wenig, wie die taz.