Kinderspielzeug und Gender: Puppe ist schnuppe
Der Spielzeughersteller Mattel bringt geschlechtsneutrale Puppen heraus. Den segregierten Kinderabteilungen wird das guttun.
K inder erfahren die Bedeutung von Geschlecht schrittweise – durch positives und negatives Feedback. Meine erste Erinnerung daran, wie das System Männlein/Weiblein auf mich niederprasselte, ist eine Zeigestunde im Kindergarten, kurz nach Weihnachten. Alle Kinder waren aufgerufen, ihr schönstes Geschenk mitzubringen, und ich brachte meine neue Puppe mit. Die Puppe hieß Lia und schloss die Augenlider, wenn man sie hinlegte, war also ganz schön cool. Die anderen Kinder sahen das anders und fragten ungläubig, warum denn ein Junge eine Puppe mitgebracht habe.
Ich hab’s verkraftet, danke der Nachfrage, aber es wäre doch schöner, wenn sich das Spielen mit Puppen allmählich mal von der Geschlechterzugehörigkeit lösen würde. Das versucht jetzt ausgerechnet der US-Spielzeughersteller Mattel mit einer Serie von genderneutralen Puppen.
Ja genau, Mattel, die Firma mit der Barbie. Vor ein paar Jahren machte Mattel schon mal Schlagzeilen, mit Puppen mit realistischen Körperformen. Dass die klassische Barbie mit ihren Proportionen im echten Leben nicht mal aufrecht stehen könnte, ist ja bekannt.
Nun gibt es von Mattel eine Reihe von (leider ausschließlich schlanken) Puppen, denen die Kids mithilfe verschieden langer Haare und verschiedener Klamotten ganz diverse Styles ankleben können, die sich jeweils als männlich, weiblich oder nichtbinär lesen lassen. Anatomisch genderneutral sind Puppen ja ohnehin.
Jetzt muss das nur noch jemand kaufen
Offenbar hat der Mattel-Market-Research festgestellt, dass Gender vielen Eltern immer wichtiger wird und dass Kinder die Möglichkeit haben sollten, ohne patriarchale Leitplanken ihr Lieblingsspiel zu entdecken.
Im Großen und Ganzen sind die Bedingungen dafür ja nach wie vor herzlich schlecht. Spielzeugabteilungen sind noch immer mehrheitlich eingeteilt in rosalila Puppen- und blauschwarze Pistolenregale.
Dass Mattel nun also ein Produkt auf den Markt bringt, das die Genderbinarität erst mal infrage stellt, ist großartig. Jetzt muss den Spaß nur jemand kaufen. So eine Puppe kostet nämlich an die 40 Euro. Vielleicht ist es bei aller begrüßenswerten Symbolpolitik am Ende doch einfacher, der alten Käthe-Kruse-Puppe vom Flohmarkt eine Latzhose und einen frischen Undercut zu verpassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!