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Match Cut Festival in BerlinTechno im klassischen Ambiente

Als Gruppe für Neue Musik hat das Zafraan Ensemble keine Scheu vor Experimenten. Bei seinem „Match Cut Festival“ maß es sich an Barock und Techno.

Gut zum Schärfen der Kontraste, nicht nur in der Neuen Musik: das Zafraan Ensemble Foto: Neda Navaee

E s ist ja überhaupt kein Problem, sich von, sagen wir mal, barocker Tafelmusik über ausgefuchste Neue Musik zu einem Techno-Brett zu hören. Wenn man es eiliger hat, mag man das, hier mal angespielt, dort reingezappt, sogar als Medley in einem Stück schaffen. Das geht ganz bequem mit der Musik im Zeitalter ihrer technischen Verfügbarkeit, da muss man nicht mal mehr eigens viele Platten angesammelt haben.

Fragt sich aber, warum man das machen sollte, so einen Barockneuemusiktechno-Parcours?

Antwort: Weil man es halt kann. Und weil da wiederum Fragen drinstecken, mit denen man ruhig arbeiten darf und die weiter reichen als nur das Feststellen einer a) Beliebigkeit oder b) eines breiter aufgestellten musikalischen Interesses. Weil mit Beliebigkeit hatte das „Match Cut Festival“ bestimmt nichts zu tun, mit dem das Zafraan Ensemble kürzlich genau das (und mehr) zusammenbrachte: Barockes, Neue Musik, handgeschnetzelten Techno. Was sich auf dem Papier erst mal viel disparater anhörte als dann bei dem Festival im Berliner Kühlhaus.

Match Cut ist ein Begriff der Filmmontage: Wenn scheinbar nicht zueinander passende Bilder so ineinander geschnitten werden, dass es eine Bewegung ergibt.

Zwei Konzertrunden bei eintägigem Festival

Und das probiert das Zafraan Ensemble eben mit Musik. Für seine dritte Ausgabe des Festivals hatte es einerseits die Akademie für Alte Musik Berlin geladen und andererseits das Technotrio Brandt Brauer Frick. In zwei langen Konzertrunden wurde bei dem eintägigen Festival hin und her gespielt und manchmal auch zusammen. Um Beziehungen zu prüfen, Querverweise hörbar zu machen. Auch Gegensätze zu schärfen.

Also experimentelles Hören. Schön, wie sich die Ohren mal ausruhen durften und wohl auch der Kopf dazwischen, wenn nach so einem fordernden Neue-Musik-Stück eine ruhig pulsierende Barock-Komposition kam. Und dass man, in Folge mit mehr Barock gefüttert, meinen wollte, dass diese Musik auf Dauer doch arg nach gepuderter Perücke schmeckte und aufgetragenem Rüschenhemd. Schon schön, aber … dass man sich schlicht wieder mehr an Gegenwärtigkeit und damit halt auch Dissonanzen in der Musik wünschte. Was man bekam. Zum Beispiel mit dem großartigen „Concerto grosso Nr. 1“ von Alfred Schnittke, eine postmoderne Tour de Force, wo der Komponist selbst mit barocken Elementen spielte.

Im zweiten Teil des Festivals flutschte mit dem Stichwort Minimalismus alles sogar noch mehr ineinander, ohne an Reibung zu verlieren, von klassischer Minimal Music über ein gewaltiges Schlagzeugsolo („Rebonds B“ von Xenakis) schließlich zu Brandt Brauer Frick mit der entschiedenen Bewegung hin zum Dancefloor.

Und dass man bei diesem Setting nebenbei noch bemerken durfte, dass die Rezep­tionshaltung nun etwas hemdsärmliger war und plauderbereiter als im ersten Teil des Abends, dass manche jetzt auch rumliefen mit dem Bier in der Hand, bereit für den Club, sagt schon auch gleich wieder was.

Es muss also gelten: Musik ist Musik. Aber halt doch immer anders.

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Thomas Mauch
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1960, seit 2001 im Berlinressort der taz.
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