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Maßnahme gegen PflegekräftemangelKleine Aufstockung geplant

Ein Gesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium sieht 20.000 mehr Assistenzkräfte in Pflegeheimen vor. Im Schnitt ist das eine Stelle pro Heim.

Durch die Aufstockung könnten sich die Pflegefachkräfte mehr auf ihre Tätigkeit konzentrieren Foto: Ute Grabowsky/Imago

Berlin taz | Es ist ein kleiner Schritt, aber immerhin: In einem am Freitag bekannt gewordenen Gesetzentwurf sieht das Bundesgesundheitsministerium vor, in der Pflege bis zu 20.000 zusätzliche Assistenzstellen in Pflegeheimen zu schaffen. Die Aufstockung ist ein erster Schritt zur Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens, das der Bremer Pflegeökonom Heinz Rothgang entwickelt hat.

In dem Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege“ heißt es, die zusätzlichen Stellen für Pflegehilfskräfte in der Altenpflege sollten „vollständig“ über einen „Vergütungszuschlag“ finanziert werden, der von der Pflegeversicherung getragen wird.

Die gesetzliche Pflegeversicherung soll für die Personalaufstockung, die schrittweise erfolgen soll, ab dem Jahr 2022 mit zusätzlich 665 Millionen Euro belastet werden, die private Pflegeversicherung mit 50 Millionen Euro. Die Eigenanteile der Pflegebedürftigen sollen durch die Aufstockungen nicht steigen, heißt es in dem Gesetz.

„Das Bundesgesundheitsministerium geht einen richtigen und logischen Schritt“ sagte Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) zu dem Referentenentwurf. Durch die Aufstockung mit Assistenzkräften könnten sich die Pflegefachkräfte mehr auf ihre qualifizierte Tätigkeit konzentrieren.

Learning on the job

Die neuen MitarbeiterInnen können auch als angelernte Hilfskräfte mit nur einem mehrmonatigen Pflegebasiskurs in den Heimen anfangen. Dann sollen sie aber innerhalb von zwei Jahren bis zum Niveau „QN 2“ einer Assistenzkraft nachqualifiziert werden, die nach einer Basisausbildung mindestens ein Jahr Berufserfahrung unter Anleitung absolviert haben muss.

„Anders als bei den Pflegefachkräften wird es gelingen, die zusätzlichen Stellen auch zu besetzen“, erklärte bpa-Präsident Meurer. Die Heime haben bislang vor allem Probleme, examinierte Fachkräfte zu finden, die eine dreijährige Ausbildung hinter sich haben.

Heinz Rothgang hatte in seinem Gutachten festgestellt, dass in den Heimen großer Personalmehrbedarf besteht, dieser aber nicht unbedingt durch examinierte Fachkräfte, sondern vor allem durch Assistenzkräfte gedeckt werden könne. Die Berufsverbände sehen den Einsatz von mehr Hilfskräften kritisch.

Vier Prozent mehr

Laut Gesetzentwurf sollen pro Pflegebedürftigen in den Heimen, abhängig von deren Pflegebedarf, rechnerisch zwischen 0,016 und 0,036 Vollzeitkräfte zusätzlich eingestellt werden. Dies entspreche im Schnitt etwa einer zusätzlichen Vollzeitkraft pro Heim, heißt es im Gesetzentwurf. Ein Heim hat im Schnitt 64 BewohnerInnen.

Laut einer Statistik arbeiten in Heimen rechnerisch Beschäftigte im Umfang von 552.000 Vollzeitstellen. Eine Aufstockung um 20.000 Vollzeit-Assistenzkräfte wäre also ein Plus von weniger als vier Prozent. Das Gutachten zur Personalbemessung hatte einen zusätzlichen zeitlichen Betreuungsbedarf von 40 Prozent pro Pflegeheimbewohner errechnet.

Nichtsdestotrotz ist das Gesetz ein erster Lackmustest, inwieweit personelle Verbesserungen in der Pflege in der Praxis machbar und auf dem Jobmarkt entsprechend BewerberInnen zu finden sind, die dann berufsbegleitend nach einem Basiskurs eine Assistenzausbildung machen können. Bisher sind die länderrechtlichen Regelungen zur Assistenzausbildung sehr vielfältig und wenig miteinander abgestimmt.

Der Referentenentwurf für das Gesetz, das auch Förderungen für Hebammen und Sonderregelungen für Zahnärzte in der Pandemie vorsieht, muss erst noch durch das Kabinett und dann in den Bundestag. Die Regelungen zur Personalaufstockung sollen ab dem 1. Januar 2021 in Kraft treten.

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5 Kommentare

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  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Bei den Pflegedebatten geht es immer nur um die Interessen der Beschàftigten. Es sollten die Interessen der Pflegrbedùrftigen im Fokus stehen.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Mit den Methoden der Vergangenheit wird die Zukunft nicht besser.

  • Es werden keine grudsätzliche Probleme gelöst durch den Versuch ein bischen Geld ins Feuer zu werfen. Es fehlt an einem verbindlichen gesetlichen und vor allem transparenten Pflegeschlüssel. Es fehlt an der möglichkeit sich in Schritten von der Hilfskraft zur Fachkraft ausbilden zu können ohne durch die selbstfinanzierung in die Insolvenz zu geraten. Aber immer ist es noch so: Einmal Hilfskraft immer Hilfskraft, oder du verschuldest dich. Und Leider auch das: Ich bin ausgebildete Zertifierte Assistenzkraft bekomme aber nur den Job als Hilfskraft, obwohl ich die Arbeit als Assitenzkraft mache und einige Tätigkeiten der Fachkraft übernehme.



    Aber wer kontrolliert das schon!

  • Das ist in der Tat ein Schrittchen, aber eine wünschenswerte Richtung. Die Berufsverbände finden das natürlich nicht toll, weil die noch immer im Traum der sog. Ganzheitlichkeit schweben, so, wie die meisten Pflegenden auch. Leider ein Ding der Unmöglichkeit im gesellschafts- und sozialpolitischen Ökonomiewahn, daher ist das Abgeben von Kleinkram immerhin ein Hoffnugsschimmer, die Bedingungen ein klein wenig zu verbessern...

  • HURRA, die Regierung erweitert den Niedriglohnsektor, statt gut ausgebildete Pflegekräfte ordentlich zu bezahlen werden jetzt billige und kurz angelernte Hilfskräfte auf die Pflegebedürftigen losgelassen.



    ... und wer zahlts? Jene die nicht reich genug sind sich aus der gesetzlichen Pflegeversicherung auszuklinken.



    Herzlichen Dank liebe SPD, dass ihr bei sowas mitmacht.