Massenunterkünfte für Flüchtlinge: Warten auf den Anschluss
Mehr als 2000 Flüchtlinge leben in den drei Hangars im Flughafen Tempelhof. Duschen und richtige Toiletten gibt es dort noch immer nicht.
Alltag im Ausnahmezustand: Im Gang zwischen den weißen Zeltreihen schwingen zwei Frauen ein langes Springseil. Eine trägt Kopftuch, die andere nicht. Barfuß und in Schlappen hopsen die Kinder über die Leine. Ihre vergnügten Stimmen verhallen im weiten Raum. Auf einer Bierbank in der Nähe kauern mehrere Männer um den einzigen Steckdosenverteiler, sie laden ihre Handys auf. Feuchte Wäsche hängt über Absperrgittern. Und über all dem wölbt sich die grüngraue stählerne Deckenkonstruktion des Hangars. Früher wurden in der riesigen Halle Flugzeuge gewartet. Nun wohnen hier Menschen.
Mittwoch Vormittag im ehemaligen Flughafen Tempelhof. Der monumentale Nazi-Bau war wesentlicher Bestandteil der von Hitler geplanten Welthauptstadt Germania – eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet hier die meisten Flüchtlinge der Stadt unterkommen. Etwas über 2.000 Menschen leben derzeit auf drei Hangars verteilt, je 12 Leute auf 25 Quadratmetern. Und es sollen noch mehr werden: Bis zu 5.000 Flüchtlinge plant der Senat in den sieben Hangars des alten Flughafens unterzubringen. Es entsteht eine Stadt in der Stadt.
Die größte Gruppe stellen derzeit die Syrer, aber auch viele Afghanen, Iraker und Pakistanis leben in den Hallen, berichtet Maria Kipp, Sprecherin der Firma Tamaja, die die Notunterkunft betreibt. In einer provisorischen Arztpraxis kümmern sich drei Mediziner um die Menschen. Im Familienhangar gibt es einen Raum zum Spielen. Kipp sagt: „Ein Drittel der Menschen sind Kinder. Der Anteil der Familien wächst stetig.“
Duschen im Schwimmbad
Maria Kipp von Tamaja
Rund 2.100 Flüchtlinge leben derzeit im ehemaligen Flughafen Tempelhof. Die ersten haben Ende Oktober die 54 Zelte im Hangar 1 bezogen. Seit Anfang November leben auch in Hangar 3 und 4 Flüchtlinge in Kabinen, die durch Messewände abgetrennt sind.
Die Betreibergesellschaft Tamaja hat derzeit 55 Angestellte. Ziel sei es, auf 40 bis 50 Mitarbeiter pro Hangar zu kommen, sagt Geschäftsführer Michael Elias.
Am Mittwoch gewährten Betreiber und Senatsverwaltung erstmals Einblick in die bewohnten Hangars, nachdem sie der Öffentlichkeit den Zugang in die Notunterkunft mehr als einen Monat lang verwehrt hatten.
Dabei ist der Flughafen als Unterkunft nur bedingt geeignet. Die Flüchtlinge müssen Dixieklos draußen auf dem Vorfeld benutzen. Auch Plastikbecken zum Waschen stehen im Freien. Einige Duschen sind in einem der Hangars zwar bereits aufgebaut, doch noch hängen die Schläuche wirr herum, es gibt keine Wasseranschlüsse. Solange sich das nicht ändert, bringt ein Bus die Flüchtlinge in ein nahe gelegenes Schwimmbad. Alle vier Tage kämen die Bewohner mit Duschen an die Reihe, so Sprecherin Kipp. Einem Architekt aus Damaskus ist das zu wenig. Er zeigt an sich herunter: „Wir sind einfach nicht sauber.“ Der muffige Geruch, der in den Gängen hängt, gibt ihm Recht.
Ein Mann in Jogginghose meldet sich zu Wort. „Sagen Sie Merkel, dass sie herkommen und sich das hier anschauen soll“, ruft er auf Arabisch, ein anderer übersetzt. Schnell bildet sich eine Traube von Männern um ihn. Er stamme aus dem Irak und sei über die Türkei nach Deutschland gekommen, erzählt er. In der Notunterkunft gebe es keine Toiletten, keine Hygiene, das Essen schmecke nicht: „Ich will in ein anderes Heim. Hier ist es sehr schlecht.“ Eine kleine Frau in Sakko mischt sich ein. Sie fragt: „Wie lange müssen wir hier noch bleiben? Ist das ein dauerhaftes Camp oder eines auf Zeit?“
Diese Frage beschäftigt auch die Betreiber. Vor über sechs Wochen eröffnete die Unterkunft. Von den Leuten, die am ersten Tag ankamen, seien viele immer noch da, erzählt der Tamaja-Geschäftsführer Michael Elias. „Vier bis sechs Wochen sind als Verweildauer akzeptabel. Alles andere muss neu gedacht werden.“
Spannungen bei der Essensausgabe
Angesichts der Warterei wundert es nicht, dass es unter den Bewohnern auch Konflikte gibt. Vor anderthalb Wochen waren die Menschen in der Schlange der Essensausgabe aneinander geraten, es kam zu einer Massenschlägerei. 120 Polizisten schritten ein, es gab rund 20 Festnahmen. Elias sagt, im Kern seien 25 junge Männer an dem Streit beteiligt gewesen, mit denen hätten sie intensive Gespräche geführt.
Frühstück, Mittagessen, Abendessen, das sind für viele die einzig fixen Termine am Tag, erzählt Kipp. „Deshalb sind die Mahlzeiten so wichtig.“ Für die Essensausgabe hätten sie etwa zwei Stunden eingeplant. „Aber es kommen alle in der ersten halben Stunde und dann gibt es Spannungen.“
Mit mehr als doppelt so vielen Bewohnern dürften die Herausforderungen im Flughafen nicht weniger werden. Kipp sagt, 5.000 Leute unterzubringen sei zwar möglich – allerdings müssten die Leute schneller in Gemeinschaftsunterkünfte wechseln können. „Eigentlich sollten die Leute nur zwei Wochen hier bleiben. Alles andere ist schwer zu vertreten.“
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