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Massenüberwachung mit GesichtserkennungWen die Kamera erkennt

Von der Gesichtserkennung bis zum Fingerabdruck – die biometrische Überwachung nimmt zu, so der Report einer Bürgerrechts-NGO.

Die biometrische Überwachung, z.B. mit Gesichtserkennung, ist auch in Europa auf dem Vormarsch Foto: Gary Waters/imago

Berlin taz | Die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) sieht die Überwachung mit biometrischen Methoden wie Gesichtserkennung in Europa auf dem Vormarsch. „Die Nutzung von biometrischer Massenüberwachung im öffentlichen Raum ist in den vergangenen Jahren zunehmend und stillschweigend zu einer gängigen Methode geworden“, schreibt die Organisation in einem am Mittwoch vorgelegten Report. Dabei gehe es sowohl um Überwachung durch staatliche Stellen als auch durch private Akteure.

Grundsätzlich verbietet die Datenschutz-Grundverordnung biometrische Überwachung. Nur in Ausnahmefällen ist sie erlaubt, zum Beispiel, wenn die Betroffenen ausdrücklich und freiwillig zugestimmt haben. So musste kürzlich etwa der Berliner Zoo seine Pläne, Ja­hres­kar­ten­nutzer:innen anhand biometrischer Gesichtserkennung zu identifizieren, stoppen.

Der Bericht beleuchtet einzelne Länder in Fallbeispielen, darunter auch Deutschland. Hier kritisieren die Au­to­r:in­nen unter anderem eine zunehmende Nutzung von Gesichtserkennung im öffentlichen Raum und die Verpflichtung zur Abgabe von Fingerabdrücken in Personalausweisen. Für die Gesichtserkennung führt der Report ein Beispiel aus Köln an, wo die Polizei Kameras installiert habe, die „biometric-ready“ seien, also tauglich für die Live-Gesichtserkennung.

Im Blickfeld dieser Kameras seien nicht nur Personen, die sich auf Plätzen oder Straßen bewegen, sondern auch Arztpraxen, Kanzleien und religiöse Orte – und damit auch die Personen, die sie betreten oder verlassen. Die NGO kritisiert dabei grundsätzlich den Einsatz von Kamera­über­wachung im öffentlichen Raum, weil sie das verdeckte Sammeln persönlicher Daten normalisiere.

„Während die EU-Gesetze sagen, dass jeder von uns unschuldig ist, bis seine Schuld bewiesen ist, stellt die Verbreitung biometrischer Massenüberwachungspraktiken in ganz Europa das auf den Kopf“, kritisiert Ella Jakubowska von EDRi. In der Logik dieser Überwachungspraktiken sei je­de:r so lange verdächtig, bis die Unschuld mittels der zur Überwachung gehörenden Datenbanken und Systeme nachgewiesen werde.

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8 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Es gibt andere Mittel als die Gesichtserkennung, um die Ganoven zu fangen.

    Die Vorschläge von Sebastian Fiedler, Bundesvorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter, find ich i.d.R. gut. Nur die Politik zieht nicht mit.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ich bin total dagegen.



    Sollen die Chinesen das in ihrem tollen Staat tun, hier nicht!!!



    Maske hilft.

  • Der Deutsch Datenschutz ist sehr naiv. Er schützt im Ergebnis vor allem Kriminelle vor dem Rechtstaat.



    Das sieht man besonders an dem Verbot der biometrischen Analyse.



    Der demokratische Rechtstaat darf damit nicht arbeiten, aber die entsprechenden Datenbanken gibt es im Ausland längst. Glaubt wirklich jemand ernsthaft, daß die organisierte Kriminalität diese Datenbank noch nicht hat ? Physisch passen die inzwischen in jeden besseren Laptob.



    Das führt bald zu der besorgniserregenden Situation, daß ein Krimineller mit Zugang zu solchen Daten jeden Polizisten und insgesamt jeden Bürger damit biometrisch identifizieren kann, aber Vetreter des demokratischen Rechtstaates, also die Polizei und die Staatsanwaltschaft dürfen und können es in vielen Fällen nicht, sie wissen im Zweifel dann also nicht wer vor der Überwachungs Kamera eine Straftat ausgeübt hat.



    Der Kriminelle selber aber hat sämtliche Infos über seine Opfer etc.



    Wollen wir dieses strukturelle Ungleichgewicht wirklich ?

    • @Paul Rabe:

      "Der demokratische Rechtstaat darf damit nicht arbeiten"



      Richtig, dürfte er es, zumindest in der von ihnen gewünschten vollkommen unbeschränkten Form, wäre es keiner.



      Wobei das behauptete "Verbot der biometrischen Analyse" eben auch nicht zutreffend ist. Mit Fingerabdrücken, ebenfalls ein biometrisches Merkmal, wird schon recht lange gearbeitet, auch automatisierte Gesichtserkennungssoftware wird mittlerweile eingesetzt, etwa nach dem G20-Gipfel in Hamburg. Und bei diesem Stand wird es mit Sicherheit nicht bleiben. Schon 2017 wurden in Berlin Smart-Kameras getestet die sowohl 'verdächtiges' Verhalten identifizieren, etwa wenn eine Person längere Zeit nervös auf der Stelle herumgeht, als auch Gesichtserkennung. Sobald man die bereits überall im öffentlichen Raum vorhandenen Dumb Cams mit einer Software verbindet die diese Fähigkeiten ebenfalls haben, dürfte es für Verdächtige faktisch unmöglich werden sich in die Öffentlichkeit zu begeben ohne sofort verhaftet zu werden. Noch ist das nicht umgesetzt, aber wir dürften nur noch 3-5 Jahre und ein 2, 3 spektakuläre Kriminalfälle die für genügend Empörung sorgen davon entfernt sein. Bereits Realität ist hingegen seit Anfang des Jahres der automatisierte Nummernschildabgleich auf Autobahnen. Wer gesucht wird, sollte also besser die Landstraße nehmen.



      All das sieht meiner Meinung nach mitnichten danach aus, als ob Datenschutz ein besonderes Problem bei der Strafverfolgung wäre. Braucht es also obendrein tatsächlich auch noch eine zentrale Datenbank mit den biometrischen Daten aller Bürger*innen, von Gesichtsgeometrie über Fingerabdrücke bis hin zur DNA-Probe auf Vorrat?

      • @Ingo Bernable:

        Diese Daten Banken gibt es doch längst, sie sind längst im Umlauf, Sie lassen sich nicht mehr aus der Welt schaffen

        die Frage ist doch nur, ob auch der demokratische Rechtsstaat diese verwenden kann oder ob dieses Werkzeug nur kriminellen vorbehalten ist

        • @Paul Rabe:

          Gäbe es solche Datenbanken, wären sie nach deutschem und europäischem Recht illegal. Mir wäre aber neu, dass solche Datenbestände irgendwo im Netz frei verfügbar wären. Vermutlich haben sie bei ihrer Behauptung Firmen wie Clearview oder Pimeyes im Kopf. Deren Datenbanken dürften aber ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis sein, was aber nichts daran ändert, dass deren Zustandekommen sich, wenn auch aus öffentlichen Quellen gespeist, in ein rechtlich ebenfalls in sehr, sehr dunkelgrauen Zone bewegt.



          Korrekt gestellt lautet die Frage also: soll der demokratische Rechtsstaat sich illegaler Mittel bedienen nur weil sie verfügbar sind?

    • @Paul Rabe:

      Wir haben uns ja vom Rechtsstaat über den Polizeistaat zum Geheimdienststaat entwickelt.



      Die Polizei darf jetzt "Gefährder" zeitlich unbegrenzt wegsperren, ohne dass sie etwas getan oder ihnen auch nur etwas vorgeworfen wird.



      Der Staat darf deine Wohnung verwanzen, greift hemmungslos auf deine Handydaten zu, rasterfahndet und verwendet deine DNA gegen dich.

      Und wenn er damit fertig ist, fordert er auch noch Hintertüren in deinen Kommunikationsgeräten.



      Das Einzige, was dabei im Moment noch ein bisschen nervt, ist dass sie das Opfer danach in Kenntnis setzen müssen. Aber keine Sorge. Selbst das wird gerade abgeschafft.

      www.lto.de/recht/h...a-strafverfolgung/

      "Drogen statt Terror und Missbrauch: Der Anlass zur Überwachung sind weiterhin „vor allem Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz“, also Drogendelikte. Jahr für Jahr werden mit Abstand die meisten Telefone wegen Drogen abgehört, und jetzt auch gehackt."



      netzpolitik.org/20...taatstrojaner-ein/

      Siehe auch: blogs.taz.de/droge...kus-der-ermittler/

    • @Paul Rabe:

      Jemand Black Mirror S03E01 gesehen?

      "Diese Geschichte spielt in einer alternativen Realität, in welcher Menschen anhand ihres Social Rankings live bewertet werden können und dann auch dementsprechend behandelt werden. Die Menschen bewerten sich permanent gegenseitig und schaffen damit eine fluide Struktur des Miteinanders, weswegen alle nett zueinander sind und Freundschaft und Freundlichkeit vortäuschen, um in der Gunst der jeweils anderen zu steigen. "

      Oder "The Orville" S01E07?

      "Zwei Anthropologen der Union verschwinden plötzlich spurlos auf einem Planeten, der der Erde des 21. Jahrhunderts ähnelt. Ed (Seth MacFarlane) entsendet ein Team angeführt von Kelly (Adrianne Palicki), um die vermissten Wissenschaftler aufzuspüren. Jedoch nimmt die Mission eine extrem gefährliche Wendung, als die Gruppe feststellt, dass die Gesellschaft auf diesem Planeten über ein sehr eigenwilliges Regierungssystem verfügt. Über öffentliche Abstimmungen wird hier nämlich bestimmt, wie heftig die Konsequenzen für eine Straftat ausfallen. Doch dieses System hat seine Makel... "

      Das funktioniert solange du mit den Gesetzen in deinem Land einverstanden bist. Aber dann demonstriere mal gegen etwas mit dem du nicht einverstanden bist. Aktuell: Siehe Hongkong.

      Lass mal Gegnern von bspw. Homosexualität Zugriff auf diese Daten haben. Oder auf religiöse Ansichten. Oder politische Ansichten ...