Massenproteste in Iran: Es geht um mehr als nur um Öl
Im Iran löst die Benzinpreiserhöhung Proteste aus. Doch Trump sollte sich nicht zu früh freuen: Das Regime hat wirksame Unterdrückungsmechanismen.
E in Liter Benzin für 12 Cent? Die meisten Autofahrenden in Europa würden an der Tankstelle bei einem solchen Preis in Jubel ausbrechen und um die Zapfsäule tanzen. Im Iran dagegen löst die Benzinpreiserhöhung und -rationierung Empörung aus. Wütende Proteste im ganzen Land beunruhigen das Regime in Teheran so sehr, dass es den DemonstrantInnen mit Gewalt gedroht hat.
Doch nicht allein die Wirtschaftskrise, die hohe Inflation und die Verarmung der Mittelschicht haben den Aufruhr ausgelöst. Treibstoff ist im Iran schon immer ein hochbrisantes politisches Thema gewesen. Die Verstaatlichung der iranischen Ölindustrie gehörte zu den ersten und wichtigsten Entscheidungen nach der Revolution von 1979. Viele IranerInnen finden, dass die niedrigen Treibstoffpreise das Einzige sind, was sie überhaupt vom Öl- und Gasreichtum ihres Landes haben.
Der Iran mag zwar viel Öl besitzen, die Raffineriekapazitäten sind aber knapp, während gleichzeitig die Zahl der neu zugelassenen Autos immer weiter steigt. Das Leben in Teheran ist schon seit vielen Jahren von Stau und Smog geprägt. Der Versuch der Regierung, gegenzusteuern, ist nicht grundsätzlich falsch, zumal die Subventionierung des Treibstoffs den Haushalt belastet. Politisch allerdings ist die Preiserhöhung ein Risiko. Soziale Unruhen haben eine andere Sprengkraft als Demonstrationen für mehr Demokratie.
Doch US-Präsident Donald Trump und seine Gefolgsleute sollten sich nicht zu früh die Hände reiben. Das iranische Regime hat ein wirksames Unterdrückungssystem aufgebaut. Werden erst einmal die gnadenlos brutalen Revolutionsgarden auf die Straßen geschickt, könnte der Widerstandswille schnell gebrochen sein. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie Massenproteste niederknüppeln.
Trump hat mit seinen Sanktionen gegen Teheran das Rad nicht neu erfunden. Der Iran hat schon so oft Boykott und Strafmaßnahmen erlebt, dass man naiv und verblendet sein muss, um sich einzubilden, die „härtesten Sanktionen aller Zeiten“ könnten dieses Regime stürzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“