Massaker von Orlando: Auf der Suche nach Bekanntschaften
Mateen, der Attentäter von Orlando, war vor seiner Tat angeblich oft im „Pulse“-Club – und pflegte über Handy-Apps wie „Grindr“ Kontakte zu anderen Männern.
Smith sagte weiter, er habe Mateen dort mindestens ein dutzend Male gesehen. „Wir haben nicht viel mit ihm geredet, aber ich kann mich erinnern, dass er etwas über seinen Vater gesagt hat“, berichtete Smith. „Er erzählte uns auch, dass er Frau und Kind hat.“
Der „Pulse“-Stammgast Kevin West sagte der Los Angeles Times, er habe etwa ein Jahr lang immer wieder über eine Dating-App Kontakt mit Mateen gehabt. Auch andere Männer berichteten in US-Medien, sie hätten über diverse Kontakt-Apps in Verbindung mit Mateen gestanden; dieser habe Bekanntschaften für Begegnungen gesucht.
Solche Handy-Apps wie etwa das sehr populäre „Grindr“, das laut Zeugen auch von Mateen genutzt wurde, sind bei vielen schwulen Männern beliebt, um unkomplizierte Begegnungen – auch sexueller Natur – zu arrangieren.
Der 29-jähriger Attentäter Mateen hatte in der Nacht zum Sonntag den Nachtclub „Pulse“ in Orlando mit Schusswaffen angegriffen und anschließend Gäste als Geiseln genommen. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei beendete die Geiselnahme gewaltsam und tötete dabei den Attentäter. 49 weitere Menschen starben.
US-Regierung: Attentäter handelte allein
Der Massenmörder von Orlando handelte nach Einschätzung der US-Regierung allein. Es gebe keine Hinweise darauf, dass Omar Mateen Anweisungen von anderen erhalten habe oder dass er Teil eines größeren Netzwerks gewesen sei, sagte Präsident Barack Obama am Montag. Vermutlich hätten ihn extremistische Botschaften im Internet zu dem Attentat gebracht.
Es scheine Parallelen zu den Angreifern von San Bernardino im vergangenen Jahr zu geben, die nach Ansicht der Ermittler ebenfalls alleine gehandelt hatten, aber zumindest teilweise von der Terrormiliz Islamischer Staat inspiriert waren, sagte Obama. Nach einem Briefing durch FBI-Direktor James Comey und Heimatschutzminister Jeh Johnson betonte der US-Präsident aber, dass die Ermittlungen noch im Anfangsstadium seien.
Solidarität mit LGBT nach dem Anschlag von Orlando
Mateen habe in der Mordnacht aus dem Club dreimal mit der Polizei telefoniert und im letzten Gespräch seine Gefolgschaft für IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi erklärt, sagte Comey. „Es sieht so aus, als hätte er sich im letzten Moment zu ISIL (zum IS) bekannt“, erklärte Obama.
Überhaupt schien Mateen über ein bruchstückhaftes Verständnis verschiedener islamistische Gruppen zu verfügen: In seinen drei Telefonaten mit der Notrufzentrale berief er sich nicht nur auf den IS, sondern zeigte sich mit einem Selbstmordattentäter der syrischen Rebellengruppe Nusra-Front solidarisch, wie Comy mitteilte. Noch vor einigen Jahren habe Mateen auch mit Verbindungen zur Hisbollah geprahlt. Sowohl letztere Gruppe als die Nusra-Front sind mit dem IS verfeindet.
Es gebe indes klare Hinweise auf eine Radikalisierung, inspiriert von einer ausländischen Terrororganisation, sagte Comey weiter. Die Ermittler beschäftigten sich am Montag unter anderem damit, die Aktivitäten Mateens im Internet nachzuverfolgen. Zudem werde geprüft, ob Mateen kürzlich den Vergnügungspark Disney World als mögliches Ziel erwogen habe. Die Webseite People.com hatte unter Berufung auf eine Quelle beim FBI über angebliche Terrorpläne gegen den Freizeitkomplex berichtet.
Mateen, dessen Familie aus Afghanistan stammt, wurde in New York geboren und lebte in Fort Pierce in Florida, wo er seit 2007 für die Sicherheitsfirma G4S arbeitete. Seit mindestens 2011 hatte er eine Waffenlizenz.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden