Masken, Xinjiang und 9-Euro-Ticket: One-Hit-Wonder Lauterbach
Lauterbach braucht ein neues Konzept-Album, der Krieg muss zurück in die Headlines und Porsche fahren fürs Tempolimit.
H err Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Der Krieg in der Ukraine verschwindet aus den Headlines.
Und was wird besser in dieser?
Trotz.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat Planungen für eine Maskenpflicht im Herbst bekannt gemacht. Was halten Sie davon?
Lauterbach wirkt inzwischen wie ein One-Hit-Wonder, der nach Monaten an der Spitze der Charts jäh Baumärkte eröffnet und beim Schützenfest im Sauerland playback herumlanzt. Es wäre Zeit für ein neues Konzept-Album: „Die Pflegereform!“ Oder „Föderalismus am Arsch!“ Und was sich sonst noch aus den Fehlern der Pandemie-Politik lernen ließe. Stattdessen liefert er sich ein Nostalgie-Battle mit der schwer pflegebedürftigen FDP: Wenn das Infektionsschutzgesetz im September ausläuft, will er die Maskenoption verlängern, die FDP dagegen „nur auf Grundlage wissenschaftlicher Daten“ neu befinden. Bei Licht ist der Unterschied unter 5 Prozent, und da kennt sich die FDP ja aus. Halbquer ist auch schräg.
Ein internationales Mediennetzwerk hat die „Xinjiang Police Files“ veröffentlicht: Polizeiakten, Fotos und Dokumente aus einem Datenleak, die die Verbrechen an den Uiguren im Nordwesten Chinas belegen. Was muss Deutschland jetzt tun?
Deutschland ist schuld seiner Geschichte spitzenkompetent beim Stichwort „Völkermord“. Die Armenier, die Kurden, die Ukrainer, die Tibeter und lange schon die Uiguren appellieren an uns, die wir es wissen sollten. Und all dies ist nicht skalierbar. Andere sind gefordert – wir hingegen verpflichtet, gegen jedes Schurkenregime zu eskalieren, das unsere Verbrechen zu wiederholen scheint. Andererseits sind wir mit Eskalation stets systematisch gescheitert und mit dieser schmierigen, geldgepolsterten Entspannungspolitik noch am weitesten gekommen. Hier liegt die Chance für die Ampel: Grünes Menschenrechtsfrömmeln und SPD-Mantras wie „Aber die Arbeitsplätze“ in eins bringen. Es ist unmöglich, doch jeder anderen Konstellation noch unmöglicher.
Spanien verschärft das Sexualstrafrecht: „Nur Ja heißt Ja“, lautet die Devise. Wird es Zeit, dass Deutschland nachzieht?
Nach der Istanbul-Konvention von 2018 genügt das deutsche „Nein heißt Nein“ nicht, denn dort wird ausdrückliches Einverständnis gefordert. Man mag sich schwertun mit dem schwedischen Samtyckeslag, dem Liebestöter-Formular mit zwei Durchschlägen für die Registratur. Und natürlich greifen die Freunde des alten Herrenrechts an der schwächsten Stelle an. Für sie und alle ist die Beweislastumkehr gemacht: „Sag jetzt nichts, Schatz“ reicht nicht mehr.
Ab Mittwoch gilt das 9-Euro-Ticket, wo fahren Sie als erstes hin?
Auf dem Katholikentag wurde über Reformen der katholischen Kirche diskutiert. Einige Katholik_innen fordern, dass Frauen geweiht, homosexuelle Paare gesegnet und Priester getraut werden. Geht das weit genug? Eine fertig reformierte katholische Kirche ist eine evangelische Kirche. Da bin ich aber schon drin.
Der Amoklauf an einer Grundschule in Texas hat die Debatte um das Waffenrecht in den USA wieder aufflammen lassen. Denken Sie, dass sich bald was verändert?
Jeder, der ein Tempolimit fordert, sollte einen Porsche geschenkt bekommen. Und Schulmassaker wie das in Uvalde lassen sich verhindern, indem man auch den Elfjährigen ein MG in den Ranzen packt. Das mit dem Porsche halte ich für unwahrscheinlich.
Der Berliner Verfassungsschutz thematisiert in seinem aktuellen Bericht Angriffe auf Journalist_innen. Wurden Sie schon mal attackiert?
Ja, ich hatte mal ein paar Wochen lang Polizeischutz, weil eine rechtsradikale Zelle Fadenkreuzfotos und Adressen von mir kassiberte und zur Lösung des Problems Sprengstoff vorschlug. Ich informierte meinen Sender und man nahm es dort anteilnehmend wie gelassen auf; ein bisschen „willkommen im Klub, bei „Monitor“ ist das immer so“ schwang mit. Die KollegInnen, die nun bei Quertrinker-Demos und Hausbesetzungen angegriffen werden, sind nicht so exponiert. Sie leiden unter weniger Quellenschutz und Medienvielfalt, deshalb sank Deutschland im Pressefreiheitsranking um drei Plätze. An den letzten Punkten kann die Politik etwas bewegen; Spinner dagegen gibt’s immer.
Und was machen die Borussen?
Machen, wie hier verschiedentlich gefordert, Edin Terzić wieder zum Trainer. Ich bin irritiert, wenn ich an der Verwatzkung meines Klubs nicht leiden kann und der plötzlich auf mich hört.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe