Masernausbruch in Berlin: Impfpflicht soll kein Tabu sein
Gesundheitsminister Hermann Gröhe schließt eine Impfpflicht nicht generell aus. In Berlin ist ein Kleinkind an Masern gestorben.
BERLIN afp | Angesichts des Masernausbruchs in Berlin hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe eine Impfpflicht nicht generell ausgeschlossen. Wenn alle anderen Maßnahmen „nicht helfen, kann eine Impfpflicht kein Tabu sein“, erklärte Gröhe am Montag in Berlin. Er forderte jeden dazu auf, den eigenen Impfstatus zu überprüfen und die empfohlenen Impfungen nachzuholen.
Zugleich bekräftigte Gröhe seine Kritik an den Impfkritikern. „Die irrationale Angstmacherei mancher Impfgegner ist verantwortungslos“, warnte er. Wer seinem Kind den Impfschutz verweigere, „gefährdet nicht nur das eigene Kind, sondern auch andere - das kann bis zum Tod führen“.
Laut Gröhe sind die Impflücken in Deutschland noch immer zu groß. Es sei daher ein Kraftakt nötig, um die Impfbereitschaft zu steigern. Mit dem neuen Präventionsgesetz solle deshalb festgelegt werden, dass bei der Aufnahme eines Kindes in die Kita ein Nachweis über eine ärztliche Impfberatung vorgelegt werden muss.
Außerdem müsse bei Gesundheitsuntersuchungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen künftig der Impfstatus überprüft werden und eine Impfberatung erfolgen. Wenn all diese Maßnahmen nicht wirkten, dann könne auch eine Impfpflicht „kein Tabu sein“, betonte Gröhe.
Grüne lehnen Impfpflicht ab
Als Reaktion auf den ungewöhnlich starken Masernausbruch in Berlin hatten zuvor bereits andere Koalitionspolitiker, darunter der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn, eine Impfpflicht ins Gespräch gebracht. Die Grünen lehnen dies ab und sprechen sich stattdessen für eine bessere Aufklärung zum Thema Impfungen aus. Ein Zwang bringe „Impfskeptiker“ nicht zum Umdenken, sagte die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Katja Dörner der Zeitung Die Welt vom Montag.
In Berlin wurden in den vergangenen Wochen mehr als 500 Masernfälle gemeldet. Über eine Impfpflicht war bereits in der Vergangenheit im Zusammenhang mit anderen Masernausbrüchen mehrfach diskutiert worden.
In Berlin ist am vergangenen Mittwoch ein eineinhalbjähriges Kind nach einer Masernerkrankung gestorben. Dies teilte die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales heute mit. Die zuständige Behörde des nördlichen Bezirks Reinickendorf gab die Information demnach erst heute weiter. „Es greifen in diesem Fall die üblichen Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz für meldepflichtige Krankheiten“, sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung. Dazu gehörten unter anderem die medizinische Überwachung derjenigen, die mit dem Kind Kontakt hatten.
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