Martin Schulz vor Berliner Unternehmern: „Vielleicht können Sie ja zustimmen“
Der SPD-Kanzlerkandidat soll am Tag nach der Niederlage in Schleswig-Holstein sein Wirtschaftsprogramm vorstellen. Doch ihm fehlt der Schwung.
Hier in den hinteren Reihen trägt man noch Slipper zum Businessanzug. Ist ja sehr bequem. Und praktisch, wenn man mittags ein kurzes Nickerchen zwischen all den Meetings einlegen kann und dafür nur mal fix die Schuhe abstreifen muss … Chrrrsch.
Womit wir beim Thema wären: Martin Schulz darf an diesem Montagmittag im Ludwig Erhard Haus (das viele aus dem Berliner „Tatort“ als Polizeihauptquartier kennen) der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) erstmals überhaupt über seine wirtschaftspolitischen Ziele sprechen, die er als Kanzlerkandidat so haben könnte. Und die Geschäftsleute in den hinteren Reihen des Saals mit seinen 400 Männern (und wenigen Frauen) ziehen die Slipper zwar nicht aus – viel fehlt dafür aber nicht.
Eric Schweitzer, langjähriger Präsident der Berliner IHK und inzwischen deren Bundeschef, fürchtet schon bei der Begrüßung, dass der kleine Mann der SPD im Saal nicht sonderlich euphorisch aufgenommen wird. Und beschwört deswegen gleich mehrfach, wie sehr man sich doch freue, dass Schulz die Einladung angenommen habe.
Auch der Termin ist nicht der beste: Nur 18 Stunden zuvor hat Schulz’ SPD bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein empfindlich verloren. Schulz’ Redenschreiber hatte wohl auch nicht den besten Tag und lieferte einen 50-Minüter mit bis zu zwei Plattitüden pro Satz ab. Was den Kanzlerkandidaten nicht daran hindert, sklavisch dem Manuskript zu folgen.
Inhaltlich verficht Schulz die Freiheit der Wirtschaft, will Unternehmern auch mal ein Scheitern zugestehen, die Bürokratie der EU abbauen. Und viel investieren: Seine Vorstellungen dafür klingen wie das rot-rot-grüne Koalitionsprogramm in Berlin. 34 Milliarden Euro betrage der Sanierungsstau bei Deutschlands Schulen, der überwunden werden müsse; in Berlin allein sind es 5 Milliarden. An dieser Stelle wird im Publikum tatsächlich vorsichtig geklatscht. Es bleibt das einzige Mal bis zum Ende.
„Vielleicht können Sie ja in einigen Punkten zustimmen“, schließt Schulz erstaunlich devot seine Rede. Dann gibt es für den, der will, noch ne Currywurst. Mit Bequemschuhen ist der Weg bis zum Stand im ersten Stock besonders schnell bewältigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag