: Martin Schulz sucht den Konflikt im Konjunktiv
Euro-Budget Der SPD-Chef will, dass Deutschland mehr in die Eurozone investiert – vielleicht
Macron forderte kürzlich ein Investitionsprogramm der Eurostaaten, das aus einem von den Nationalstaaten gestellten Haushalt finanziert werden soll. Die 19 Eurostaaten sollen, so Macrons kühne Idee, auch einen gemeinsamen Finanz- und Wirtschaftsminister bekommen. Mit einem solchen Etat würde Deutschland stärker Investitionen in anderen Eurostaaten mitfinanzieren. Das wäre ein Mittel, wirtschaftliche Unwuchten auszugleichen – und den gigantischen deutschen Exportüberschuss abzubauen.
Die CDU bleibt hart
Unionspolitiker hatten diese Vorschläge bereits zu Beginn der Woche teils brüsk zurückgewiesen. Eine Vergemeinschaftung von Schulden, sogenannte Eurobonds, komme nicht in Frage, so die routinierte Antwort. Eurobonds hatte Macron allerdings gar nicht gefordert. Auch die Idee eines Budgets für die Eurozone stieß auf Granit. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger erklärte sie für überflüssig, CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble für unrealistisch. Außerdem solle Macron erst einmal zu Hause den Arbeitsmarkt flexibilisieren und nicht Geld von Deutschland verlangen, so das Echo vor allem vom Wirtschaftsflügel der Unionsparteien.
Offenbar will die SPD mit dem ausgewiesenen EU-Experten Martin Schulz dazu nun einen Kontrapunkt setzen – und sich als entschlossene proeuropäische Kraft präsentieren. Denn Macrons Sieg hat gezeigt, dass es in den Zeiten von Brexit und Rechtspopulismus möglich ist, mit der Europaflagge nationale Wahlen zu gewinnen. Der Jubel über die Niederlage der Rechtspopulistin Le Pen war kaum verhallt – da zeigten die Reaktionen aus der Union, dass die Bereitschaft, Strukturprobleme in der EU anzupacken, gen null geht. Die SPD hingegen signalisiert, vor allem durch Außenminister Sigmar Gabriel, dass Macron Unterstützung aus Deutschland braucht – um die rechtspopulistische Gefahr langfristig einzudämmen.
Allerdings ist die Position von Martin Schulz weniger scharf konturiert. als viele glauben. „Schulz fordert gemeinsamen Haushalt der Eurostaaten“, meldeten Nachrichtenagenturen. Doch das suggeriert eine Eindeutigkeit, die der SPD-Chef vermeidet. „Wenn die Staaten der Euro-Gruppe gemeinsame Aufgaben anpacken sollen, wäre eine gemeinsame Budgetfinanzierung sinnvoll“, so der Kanzlerkandidat im Interview mit der Zeit. Und über „ein gemeinsames Budget der Euro-Länder wird man ganz sicher nachdenken müssen“. Ein gemeinsamer Eurozonen-Etat aber sei schwer durchsetzbar. Also: wenn und Konjunktiv.
Auch zum in der EU viel kritisierten Exportüberschuss hat Schulz eine Position, die einem „Ja, aber“ ähnelt. Am Montag hatte der SPD-Chef in einer Rede vor Wirtschaftsvertretern die „Kritik am deutschen Exportüberschuss für unberechtigt“ erklärt. Gleichzeitig aber forderte er, dass Deutschland weniger sparen und mehr investieren müsse – auch um den Exportüberschuss zu mindern. Wie genau oder in welchem Umfang deutsche Exportüberschüsse investiert werden sollen, blieb dabei im Ungefähren. Wer eine alternative, neue sozialdemokratische Europapolitik einläuten will, die auf klare Distanz zu Wolfgang Schäubles Sparkurs gehen will, klingt anders.
Sven Giegold, grüner Abgeordneter im Europaparlament und Experte für Finanzpolitik, hält die Linie von Schulz für „zu defensiv“. „Eine klare Aussage zur Finanzierung von mehr gemeinsamen Investitionen in den Euroländern sucht man bei Schulz bislang vergebens“, so Giegold zur taz.
STEFAN REINECKE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen