Martin Kind unterstützt Gerhard Schröder: Der Tenniskumpel des Chefs
Der Hannover-96-Boss verwechselt die Interessen des Vereins mit seinen. Er möchte den Ex-Kanzler im Stadion sehen. Sport und Politik seien zu trennen.
![Gerhard Schröder und Martin Kind stehen vor einer Sponsorenwand von Hannover 96 Gerhard Schröder und Martin Kind stehen vor einer Sponsorenwand von Hannover 96](https://taz.de/picture/5596387/14/87449848-1.jpg)
M ehrheiten, die man nicht kaufen kann, haben Martin Kind noch nie interessiert. Aus seinem ausdauernden finanziellen Engagement bei Hannover 96 hat der Geschäftsführer der Profifußballabteilung eine Art Alleinvertretungsanspruch abgeleitet: Der Verein bin ich. So sind auch seine jüngsten Äußerungen gegenüber der Sport Bild zum Altkanzler Gerhard Schröder zu verstehen: „Er ist ohne Wenn und Aber bei 96 immer herzlich willkommen.“
Wieder einmal hat Kind den Verein mit sich selbst verwechselt. Denn Klubmitglied Schröder ist Anfang April gerade so einem Ausschluss durch den Gesamtverein mit seinem Austritt zuvorgekommen. Hannover 96 wollte ein Zeichen setzen, dass Schröders Treuebekundungen zum in der Ukraine kriegsführenden russischen Präsidenten Wladimir Putin, sein Schweigen zu dieser so viel Leid erzeugenden Militäroffensive, seine russischen Geschäftsverbindungen mit den Werten des Vereins nicht vereinbar sind.
Seither hat sich Schröder im Stadion offenbar nicht mehr wirklich willkommen gefühlt. Er wurde nicht mehr gesehen. Seine Loge hat er eh verkauft. Und Martin Kind findet all das schade. „Aus meiner Sicht sollte man differenzieren zwischen Sport und Politik“, hat er nun erklärt.
Es ist auffällig, dass der Wunsch nach der Trennung der Sphären von Sport und Politik immer dann auftritt, wenn die Gewinnerwartungen aus der Verflechtung von beiden Sphären enttäuscht werden. Als Martin Kind im Jahr 2017 seinen Tennisfreund Schröder wieder mal im Alleingang als Aufsichtsratschef von Hannover 96 installierte, erhoffte er sich noch von dessen politischen Verbindungen einen Mehrwert für die Entwicklung des Vereins.
Als „Türöffner“ wurde Schröder von Kind vorgestellt. Dass sein Freund künftig seine Fußball-Geschäfte zu kontrollieren hatte, stufte der Vereinsfunktionär zudem als ein Erfolg versprechendes Näheverhältnis ein.
In die Aufsichtsrat-Ära von Schröder (2017-2019) fiel auch ein Benefizspiel zwischen Hannover 96 und Schalke 04 hinein, das Gazprom, der russische Staatskonzern und Trikotsponsor der Gelsenkirchener, initiiert hatte, um aus den Erlösen Bolzplätze in Hannover instandzusetzen. Eine tolle Marketingaktion für das Unternehmen, mit dessen Geldern schon in der Vergangenheit russische Kriege finanziert wurden. Derlei Verbindungen waren einst kein Problem und natürlich völlig unpolitisch.
Wie kompliziert mittlerweile die Ausdifferenzierung zwischen Sport und Politik ist, konnte man beim Zweitligaspiel zwischen Hannover 96 und Holstein Kiel wenige Tage nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine erleben. Die Stadionregie in Hannover spielte statt dem gewohnten Einlauf-Song „Know your enemy“ das zu Kriegszeiten in Vietnam entstandene Protestlied „Imagine“ von John Lennon.
So viel Politik war also erlaubt. In der Schweigeminute danach brüllte ein Zuschauer allerdings „Schröder raus“. Und das kann Martin Kind nicht gefallen haben. Das muss aus seinem Verständnis heraus viel zu viel Politik gewesen sein.
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