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Marode BrückenSanierungsbedarf im dreistelligen Milliardenbereich

Viele Brücken in Deutschland sind in einem schlechten Zustand. Eine Studie warnt, die Lage sei noch dramatischer als angenommen.

Mehr Brücken sind sanierungsbedürftig als angenommen: Abrissarbeiten an der maroden Berliner Westendbrücke Foto: Hannes P. Albert/dpa

Berlin dpa | Der Bund unterschätzt den Sanierungsstau bei den maroden Brücken in Deutschland einer Erhebung zufolge deutlich. Insgesamt sind einer Studie der Organisation Transport & Environment (T&E) zufolge rund 16.000 Brücken in Bundeshand baufällig. T&E ist ein europäischer Dachverband nichtstaatlicher Organisationen, die sich nach eigenen Angaben für nachhaltigen Verkehr einsetzen.

„Wird die Sanierung dieser Brücken verschleppt, dann sind sie anfälliger für Verschleiß, was mittelfristig zu noch höheren Kosten führt“, teilte die Organisation mit. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene müssen nach T&E-Berechnungen bis zu 100 Milliarden Euro in den Ersatzneubau von Brücken investiert werden.

Schon jetzt führt die überalterte Infrastruktur dazu, dass Bauwerke immer wieder kurzfristig gesperrt werden müssen. Jüngstes Beispiel ist die sogenannte Ringbahnbrücke auf der A100 im Westen Berlins. Sie ist seit Mitte März dicht, weil sich ein Riss im Tragwerk vergrößert hatte. Derzeit wird das Bauwerk von 1963 abgerissen – dann soll ein Neubau folgen. Wann die neue Brücke steht, ist offen. Die Ringbahnbrücke gehört zu einem der wichtigsten Verkehrsknoten in Deutschland – dem Autobahndreieck Funkturm. Auf kommunaler Ebene ist die Carolabrücke in Dresden der wohl prominenteste Fall. Die Brücke stürzte im September 2024 in Teilen in die Elbe.

„Dass viele Brücken im deutschen Straßennetz in einem schlechten Zustand sind, war schon lange absehbar“, schreibt T&E in dem Bericht. „Viele Brücken, oft in den 1970er Jahren gebaut, sind ursprünglich auf eine geringere Belastung ausgelegt worden.“

Vor allem in Stadtstaaten sind die Brücken in schlechtem Zustand

T&E bemängelt vor allem, dass das Verkehrsministerium in seinem Brückenmodernisierungsprogramm von 2022 nicht das gesamte Autobahnnetz in den Blick nimmt. Dem Sanierungsplan des Ministeriums zufolge sollen in einem Zeitraum von zehn Jahren 4.000 Brücken im Kernnetz stark belasteter Autobahnen saniert werden. Langfristig sollten weitere 4.000 Autobahnbrücken folgen.

T&E kommt auf deutlich höhere Zahlen: „Insgesamt müssen 5.905 Brücken, 24 Prozent der Brückenfläche im Bundesfernstraßennetz, ersetzt werden. Weitere 10.240 Brücken sind so stark belastet, dass wahrscheinlich ein Ersatzneubau nötig ist, eventuell kann allerdings auch durch Verstärkung Abhilfe geschaffen werden.“

Dabei sei der Zustand der Brücken nicht überall gleich schlecht. „Besonders betroffen sind die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, in denen viele Brücken deutlich über ihre ursprüngliche Auslegung belastet sind.“ In Nordrhein-Westfalen sei der Anteil der Brückenfläche, die neu gebaut werden müsse, doppelt so hoch wie in Bayern. Die Brücken in den ostdeutschen Flächenländern seien hingegen „zu großen Teilen in den 90er Jahren errichtet und schon damals auf höhere Verkehrslasten ausgelegt“ worden.

„Triage bei der Modernisierung von Straßenbrücken“

„Wir wissen eigentlich genau, welche Brücke schnell saniert werden muss“, sagte Benedikt Hey von T&E Deutschland. „Doch das Verkehrsministerium hinkt den Notwendigkeiten so weit hinterher, dass die Autobahn GmbH inzwischen eine Triage bei der Modernisierung von Straßenbrücken durchführt. Das ist absurd und teuer, denn jede verschleppte Sanierung kostet in Zukunft noch viel mehr.“

T&E fordert von der künftigen Bundesregierung unter anderem, dass Sanierung und Instandhaltung Vorrang vor dem Bau neuer Autobahnen und Bundesstraßen haben müssten. Zudem müssten Bund und Länder den Kommunen mehr Geld für die Infrastruktur geben. Grundlage der T&E-Berechnungen sind unter anderem Daten der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen.

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4 Kommentare

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  • Verwaltung und Politik wissen das seit Jahren und lügen uns ganz dreist ins Gesicht um deren Versagen zu vertuschen.

    Hinzu kommt, dass man lieber das Geld rausschmeisst um grüne Radewege rot zu tünchen und für teuer Geld aber klientelwirksam Strassen in Fahrradstrassen umzuwandeln.

    Das kann man machen. Wenn das Geld nicht an anderer Stelle (z.B.



    bei der Brückensanierung) dringender gebraucht wird.

  • Wie blöd muss jemand sein der, angesichts des Zustandes der Infrastruktur, weiter an der Schuldenbremse festhalten will...!??

  • Wo sollen eigentlich all die Bauarbeiter herkommen? Die Handwerker, die Baumaterialien, die Plannungsbüros und die Baumaschinen um all die Infrastruktur zu modernisieren, die Schiene auszubauen und die 200.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen? Klar kann der Staat massiv Geld ausgeben und die Infrastruktur richten, aber private Wohnungsbauinitiativen wird es dann deutlich weniger geben.

  • Solange jede Investition in die Straßeninfrastruktur von interessierter Seite wahlweise als von der "Auto- und Verbrennerlobby" gesteuert oder als "Angriff auf das Klima" verunglimpft wird, wird sich nur langsam etwas ändern.

    Nota bene: Aufgrund von gesperrten Brücken stehende Autos und Lastwagen, deren Motoren laufen, haben geschätzt einen größeren negativen Nettoeffekt, als der fließende Verkehr. Denn dieser erfüllt immerhin noch den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen, Personen und Waren an den Bestimmungsort zu bringen.

    Das ist auch ein Hauptkritikpunkt an Klebeaktionen fürs Klima. Autokolonnen im Stau rumbollern lassen für die Umwelt war noch nie eine besonders schlaue Idee.