Mangel an Medikamenten für Kinder: Preispolitik für mehr Fiebersaft
Mehr Geld soll die Versorgungskrise bei Kindermedikamenten kurzfristig beheben. Eine Geste ohne Wirkung, kritisieren die Pharmahersteller.
Bereits im Dezember hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) als Sofortmaßnahme vorgeschlagen, dass es möglich werden soll, höhere Preise als die bisher verhandelten Festbeträge zu übernehmen. Beim GKV-Spitzenverband sah man das kritisch, vermeldete am Dienstag aber eine Einigung. Ab Februar sollen für 180 Kindermedikamente die Festpreise ausgesetzt werden.
Tatsächlich gilt die Preisgestaltung als eine der Hauptursachen für die seit Jahren auftretenden Versorgungsprobleme bei Medikamenten. Die Krankenkassen vereinbaren für die Kostenübernahme verschriebener Medikamente Festbeträge. Bei Generika, also Medikamenten, bei denen der Patentschutz abgelaufen ist, richten sich diese nach dem günstigsten Preis – für Fiebersaft beispielsweise ist ein Festbetrag von unter 2 Euro vorgesehen. Ein Preisdruck, der dafür sorgte, dass die Hersteller die Rohstoffherstellung vielfach nach Asien verlagert und sich teilweise vom deutschen Markt zurückgezogen haben.
Kein zusätzlicher Fiebersaft
Die Kapazitäten der verbliebenen Hersteller seien komplett ausgelastet, heißt es vom Branchenverband Pro Generika. Zusätzlicher Fiebersaft käme also durch eine kurzfristige Anhebung der Preise nicht auf den Markt. „Eine Geste“ sei die Maßnahme, so Geschäftsführer Bork Bretthauer.
Auch ein Einkauf bei anderen europäischen Herstellern ist nicht einfach. Allein das in der Regel notwendige Umpacken in eine deutschsprachige Verpackung ist laut dem europäischen Generika-Branchenverband Medicines for Europe angesichts herrschender Papierknappheit eine Herausforderung für die Hersteller. In Einzelfällen erteilt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hier eine Ausnahmegenehmigung – zuletzt für einen Fiebersaft, der eigentlich für den ukrainischen Markt bestimmt war.
Beim GKV-Spitzenverband fürchtet man, dass mit der von Lauterbach angeregten Maßnahme lediglich zusätzliche Gewinne für die Pharmahersteller ermöglicht werden, ohne dass dies eine nachhaltige Lösung herbeiführe. Ohnehin sei der Scheitelpunkt der Kinder-Infektionswelle bereits erreicht, so ein Sprecher. Wenn die Regelung am 1. Februar in Kraft tritt, könnte sich der Versorgungsengpass bei Fiebermedikamenten und Antibiotika für Kinder also bereits beruhigt haben.
Bei anderen Arzneimitteln – darunter lebenswichtige Krebsmedikamente – sind die Probleme aber ähnliche, wie die Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie erst am Montag warnte. Auch hier wartet man, wie beim GKV-Spitzenverband, auf den für Anfang des Jahres vom Bundesgesundheitsministerium versprochenen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“