Mafia-Rufmord nach 21 Jahren gesühnt: Immer das gleiche Spiel
Die Mafia ermordete 1994 den Priester Giuseppe Diana, eine Lokalzeitung verleumdet ihn. Nun wurde den Hinterbliebenen Schadenersatz zugesprochen.
Der Mörder kam um sieben Uhr in der Frühe in die Sakristei der Kirche San Nicola di Bari, im Städtchen Casal di Principe, einer Camorra-Hochburg vor den Toren Neapels. Mit fünf Schüssen tötete der Killer den 35-jährigen Priester Giuseppe Diana, von allen Peppe genannt. Der hatte sich des todeswürdigen Vergehens schuldig gemacht, nicht nur in seinen Predigten, sondern auch in seiner täglichen Arbeit als Pfarrer der Camorra die Stirn geboten zu haben.
Der Mord ereignete sich vor mehr als 30 Jahren, am 19. März 1994 – doch er zieht immer noch Kreise. Es ist dem weltberühmten Autor Roberto Saviano zu verdanken, dass er jetzt mit einem Artikel im Corriere della Sera den Scheinwerfer auf ein vorher nur von lokalen Medien zur Kenntnis genommenes Urteil des Gerichts von Santa Maria Capua Vetere richtet, das den Geschwistern von Don Peppe 100.000 Euro Schmerzensgeld zuspricht, wegen Verleumdung.
Das Lokalblatt Corriere di Caserta nämlich hatte im Jahr 2003 mit der Schlagzeile „Don Peppe Diana war ein Camorrist“ getitelt und behauptet, „Don Diana bewahrte die Waffen der Camorra auf.“
Es war die übliche, bei allen Mafia-Organisationen beliebte Strategie, der sich die Gazette dienstbar machte: Auf den Mord folgt der Rufmord, auf die physische Eliminierung die moralische Diskreditierung des Opfers.
Wertlos machen
Das Ziel liegt auf der Hand. Der Gegner der Mafia wird nicht nur für immer zum Schweigen gebracht, auch seine Worte, seine Taten zu Lebzeiten sollen als wertlos erscheinen.
Beliebt bei Mafiosi war immer schon die Variante von den „Frauengeschichten“ ihrer Opfer – und Peppe Dianas Andenken sollte auch auf diesem Weg zerstört werden. „Peppe Diana im Bett mit zwei Frauen“ hatte die jetzt verurteilte Zeitung schon im Jahr 1999 getitelt – weil der Priester an der Seite zweier junger Frauen bei einem Pfadfinder-Wochenende auf einem Bett gesessen hatte.
Von einer „schockierenden Enthüllung“ der Carabinieri sprach der Corriere di Caserta und verschwieg dabei, dass Diana und die zwei Frauen auf dem von den Beamten gefundenen Foto in völlig unverfänglicher Pose und komplett bekleidet nebeneinandersaßen.
Im Falle Dianas folgte der Rufmord auf den Mord. Doch immer wieder ging es auch umgekehrt. Giovanni Falcone etwa, jener Staatsanwalt aus Palermo, der Ende der 80er Jahre der Cosa Nostra schwere Schläge versetzt hatte, wurde im Jahr 1992 mit einem Bombenattentat getötet.
Späte Genugtuung
Doch schon drei Jahre vorher hatte es einen Anschlagsversuch gegen ihn gegeben, wurde auf den Klippen, an denen er baden wollte, eine Sporttasche voller Sprengstoff gefunden. Wer war der Täter? Aus Mafia-nahen Kreisen wurde die Behauptung gestreut, Falcone selbst habe sich die Tasche hingestellt, um sich wichtig zu machen, um seine Karriere zu befördern.
Es war das immer gleiche Spiel, das darin bestand, integre Feinde der Mafia als halbseidene Gesellen darzustellen. Im Falle Peppe Dianas hat die Justiz jetzt geantwortet, doch eines kann man leider nicht behaupten, und Saviano unterstreicht das auch: dass die Strafe für die verleumderische Zeitung auf dem Fuß gefolgt sei.
Der inkriminierte Artikel erschien im fernen Jahr 2003, sanktioniert wurde er jedoch erst 21 Jahre später.
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