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Mängel der Luca-AppEin lehrreiches Debakel

Kommentar von Svenja Bergt

Reihenweise beschafften Verwaltungen die Nachverfolgungs-App Luca, obwohl diese gravierende Sicherheitsmängel aufweist.

QR-Codes: zentral für die Kontaktnachverfolgung Foto: AP

E s war das zentrale Argument, mit dem Verwaltungen vor einigen Monaten reihenweise Verträge mit culture4life, der Betreiberfirma der Check-in-App Luca, abschlossen: Die App zum Sammeln von Aufenthaltsorten ihrer Nut­ze­r:in­nen sollte die Nachverfolgung durch die Gesundheitsämter erleichtern – ach was: erleichtern, revolutionieren! Die Firma gab sich keine Mühe, die Hoffnungen zu bremsen, im Gegenteil: Schnell entstand der Eindruck, Luca sei der Schlüssel, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.

Nun ja. Dass eine Anwendung, die einfach registriert, wer zur gleichen Zeit den gleichen QR-Code gescannt hat, vielleicht nicht allzu aussagekräftig ist, wenn sich dieser Code auf ein dreistöckiges Kaufhaus, einen Tierpark, oder eine Sportanlage unter freiem Himmel bezieht – um das zu verstehen, braucht man keinen Doktor in Epidemiologie. Wenn diese Anwendung auch noch vor Datenschutz- und Sicherheitsproblemen strotzt und die Be­trei­be­r:in­nen es nicht schaffen, diese umgehend und umfassend auszuräumen, dann ist noch mehr Vorsicht geboten. Wenn die öffentliche Hand dann trotz allem diverse Millionen für Lizenzen ausgibt, teilweise auch noch ohne Ausschreibung, dann lässt sich das nicht mehr einfach unter „dumm gelaufen“ verbuchen.

Der Spiegel hat nun bei gut der Hälfte der Gesundheitsämter in Deutschland nachgefragt, wie sie es mit der Luca-App halten. Das Ergebnis: Von 114 Ämtern mit Luca-Anschluss hat die Hälfte noch nie Daten abgerufen. Technische Probleme, unbrauchbare Daten: zu viel Aufwand für zu wenig Nutzen.

Da ist nichts mehr zu retten. Aber doch viel zu lernen – für alle künftigen Fälle, in denen Software beschafft werden soll. Egal ob es um Bürosoftware, ein Programm für Videokonferenzen oder Cloud-Dienste geht. Die Platzhirsche oder die mit dem besten Marketing haben nämlich nicht unbedingt das beste Produkt. Diese Information scheint in guten Teilen von Politik und Verwaltung bislang noch nicht angekommen zu sein.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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5 Kommentare

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  • Trotz erheblicher Gefahren wagen sich täglich Millionen Menschen auf die Straßen. Tausende werden in Unfälle verwickelt, viele verletzt und einige sogar getötet.

    Trotz erheblichen Risikos eines Sonnenbrands liegen unzählige Menschan am Strand in der Sonne...

    ...

  • Was mir bei dieser Einschätzung fehlt, ist die Darstellung der Alternative: nämlich Erfassung per Zettel. Ich kann mich noch an lustige Meldungen über Eintragungen wie Donald Duck o. ä. erinnern. Und wenn die Gesundheitsämter Daten nicht anfordern, oder Gastwirte die App nicht anbieten, ist das wohl kaum Luca anzulasten.

    Ausserdem: Wollen Sie mir ernsthaft erzählen, dass Gesundheitsämter analoge Zettel besser auswerten können als digitale Daten? Da fehlt es nach meiner Einschätzung eher an einer professionellen Ausrüstung der Gesundheitsämter im Digitalbereich.

    Ja: Datenschutz, Schadsoftware-Lecks, Service, Reaktion der Betreiber - alles legitime Kritikpunkte. Aber für mich nichts, was man nicht mit gutem Willen gemeinsam beheben könnte. Und immer unter der Fragestellung: Was wäre die Alternative und wäre die wirklich besser?

    Ich finde Ihre abschliessende Bemerkung hinsichtlich Marketing und Platzhirsche doch eher oberflächlich und ohne Belege.

    Wäre das nicht mal ein Thema für eine ausführliche Hintergrund-Recherche? Und für mich gehört es bei sowas auch immer dazu, alle Seiten anzuhören und zu werten. Wie wäre es also mit einem Statement der Luca-App Betreiber. Oder von zufriedenen Nutzern wie der Stadt Hamburg?

    • @Flachköpper:

      Im Vergleich zur Erfassung per Zettel ist die Luca-App viel besser - reicht aber immer noch lange nicht, um bei der Pandemiebekämpfung nützlich zu sein. Auch wenn die Gesundheitsämter digital bewaffnet bis an die Zähne wären, so blieben die Daten immer noch viel zu ungenau. Technische Lösungen für eine präzise Erfassung von Kontakten sind bestimmt möglich, nur hätten die dann nichts mehr mit Datenschutz zu tun.

      • @zmx52:

        Okay.



        Dann wäre also die Alternative, Luca-App und Zettel wegzulassen, weil beide zu ungenau sind? Also gar nix in dieser Richtung zu machen?

        • @Flachköpper:

          Ja, denn wenn's wenigstens so halbwegs wirken soll, muss man das wohl so machen wie in China, lückenlose Überwachung, hochautomatisiert und komplett ohne Datenschutz. Möglicherweise kommen wir eines Tages auch dort an, wenn wir mit unserem kritiklosen Technikgebruach so weitermachen, aber so weit sind wir eben noch nicht.