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Macron zur Rolle Frankreichs in der WeltGroßer Mann kleinlaut

Mehr als ein Jahr ist der französische Präsident im Amt. Von seinen außenpolitischen Visionen ist nicht viel übrig geblieben.

Nicht mehr so optimistisch wie vor einem Jahr: Präsident Macron Foto: reuters

PARIS taz | Beim jährlichen Treffen der französischen Botschafter und Botschafterinnen in Paris hat Staatspräsident Emmanuel Macron den Kurs der Sicherheits- und Außenpolitik und die Rolle Frankreichs in der Welt skizziert. Seine Analyse der Krise des Multilateralismus und der Globalisierung sowie seine Ausführungen zur Migrationsfrage richteten sich indirekt an seine Wähler und Wählerinnen, die bei den EU-Wahlen in neun Monaten ein Urteil über seine europäische Vision oder die Entwicklung der EU abgeben können.

Macron klang weit weniger ambitiös und visionär als noch vor einem Jahr, als er vor allem nach seiner Grundsatzrede zu Europa als neuer und womöglich sogar einziger „Leader“ in der EU begrüßt worden war. Denn die europäische Gemeinschaft und die internationalen Beziehungen insgesamt haben sich kaum in der von ihm erhofften und angestrebten Richtung entwickelt. Macron versteht sich darum weitgehend als Krisenmanager auf mehreren Schauplätzen, ohne allerdings die eigenen Mittel und Möglichkeiten zu überschätzen.

Er sprach zunächst ausführlich von einer Krise des Multilateralismus, die er als Folge einer Enttäuschung über die Globalisierung analysiert. Diese habe zwar in bestimmten Bereichen sehr positive Ergebnisse gehabt, zugleich aber neue Ungleichheiten und Ungleichgewichte geschaffen, ökologische Katastrophen ausgelöst und bei den Menschen Ängste und starke Identitätsgefühle auf den Plan gerufen.

Es gebe heute eine „Malaise mit der Globalisierung“, die er hinter dem amerikanischen Unilateralismus nach der Wahl von Donald Trump oder auch in den Divergenzen innerhalb der EU bei Themen wie Migration, Solidarität und Steuerharmonisierung ausmacht.

Optimismus versus Skepsis

Macrons europäischer Optimismus ist konfrontiert mit einer weit verbreiteten Skepsis und Opposition populistischer und nationalistischen Regierungen in der Gemeinschaft. Von der bei Wahlen politisch geschwächten Angela Merkel und ihrer Koalitionsregierung erhielt er auch nicht die erhoffte volle Unterstützung.

Als Erfolg seiner Europapolitik beansprucht Macron Fortschritte bei der gemeinsamen Verteidigung. In den kommenden Wochen wolle er ein Projekt zur gemeinsamen Sicherheit vorlegen. „Europa kann seine Sicherheit nicht allein den Vereinigten Staaten anvertrauen. Es ist an uns, die Verantwortung zu übernehmen und so unsere Souveränität zu garantieren. Damit ziehen wir die Konsequenzen aus dem Ende des Kalten Krieges.“

Macron versteht sich als Krisenmanager, ohne die eigenen Möglichkeiten zu überschätzen

In keinem der von ihm angeschnittenen Bereiche möchte Macron auf die vor und nach seiner Wahl definierten Ziele verzichten. Alles scheint indes im Verlauf seines ersten Amtsjahres schwieriger geworden zu sein. Der Kampf für Europa werde „lang und schwierig“ sein, räumte Macron ein. Auch seine Rechnung, als engster Partner von Trump in Europa die amerikanische Außenpolitik und den Trend zum Protektionismus beeinflussen zu können, ist nicht aufgegangen.

Weiter im Kampf gegen Terrorismus

Er konnte weder verhindern, dass Trump aus den Vereinbarungen der Pariser Klimaverträge ausstieg noch, dass dieser die Atomverträge mit dem Iran aufkündigte und Sanktionen verhängte, die auch französischen Unternehmen schaden. Das freilich kann und will Macron nicht eingestehen.

Er empfiehlt den Diplomaten, durch Partnerschaften auch mit nichtstaatlichen Organisationen in der Klimapolitik sowie durch Handelsaustausch Frankreichs Einfluss und Attraktivität zu stärken. Die neue Weltordnung, die Frankreich wolle, könne „weder auf Hegemonie noch auf einer Theokratie“ basieren, sondern auf dem Humanismus und der Anerkennung der Souveränität, sagte Macron.

Im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten ein Jahrhundert nach dem Ende des Ersten Weltkriegs am 11. November soll in Paris ein internationales Forum für den Frieden entstehen. Vorerst wird Paris jedoch auch weiter in der afrikanischen Sahelregion und in Syrien im Kampf gegen den Terrorismus das militärische Engagement unvermindert fortsetzen.

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4 Kommentare

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  • Sieht aus, als wäre der „neue[] und womöglich sogar einzige[] ‚Leader‘ in der EU“ auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Er ist nicht Gott. Und jede Zeitung, die was anderes behauptet hat, hat sich geirrt – um es mal freundlich zu umschreiben.

    Ist ja nicht so, dass es nicht Andren vor Macron ähnlich ergangen wäre. Ich denke nur an den Mann, der vor Trump gewesen ist. Wie hieß er noch? Ein Kaiser, dem sein Volk nicht folgen mag, ist halt kein Kaiser nicht sondern ein Scharlatan.

    Man dreht den Schlepper nicht mit einem einzigen Befehl. Schon gar nicht, wenn man schon am Eisberg klebt. Das war einfach kein brauchbares Rezept, nach dem in Frankreich vor Macron gekocht wurde. Nicht alles, was über den großen Teich gekommen ist, muss deswegen schon gut gewesen sein. Und das Rezept ist dadurch, dass ein junger Koch es angewendet hat, auch nicht genießbarer geworden, denke ich.

    Immerhin: Die Militärs setzen noch auf Macron. Er bremst sie ja auch überhaupt nicht aus. Wie sich das mit dem „Humanismus“ und der „Anerkennung der Souveränität“ verträgt, die er – wohl eher lustlos – hergebetet haben soll für sein verblüfftes Volk, kann er bei Nachfragen gewiss erklären. Hegemonie und Theokratie sollen ja nicht die großen, sich nähernden Ziele dieses Schöpfers einer neuen „Weltordnung“ sein. Was also ist es sonst?

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Die EU ist nur so stark und einig, wie die einzelnen Mitgliedsstaaten es zulassen. Macron ist auf dem richtigen Weg. Ihn "kleinlaut" zu schimpfen, ist fehl am Platze. Wer will schon gerne mit Merkel, Seehofer, Orban, der May, Johnson, Rees-Mogg oder der Piss-Partei in Polen ein neues Europa bauen ? Man kann nur hoffen, dass der Horrorclown sein fälliges impeachment a weng hinauszögert, noch etwas im Amt bleibt und weiter wahnhafte Politik betreibt, damit selbst den Vorgenannten klar wird, wie wichtig eine engere Zusammenarbeit ist.

    • @60440 (Profil gelöscht):

      Ach, da schau her! Das ist ja ganz was Neues!

      Jede Kette ist nur so stark, wie ihr schwächstes Glied. Wenn man das weiß, kann man versuchen, die schwächeren Glieder zu stärken und die starken nicht zu schwer werden zu lassen. Das Gegenteil ist in Europa praktiziert worden. Auch von Macron.

      Und nun? Nun fliegt der Laden auseinander. Und keiner hat das kommen sehen, heißt es. Kleinlaut zu sein ist noch das beste, was Macron derzeit öffentlich tun kann, finde ich. Ein wenig mehr Bescheidenheit hätte uns allen gut getan.

      Aber Bescheidenheit ist ja nun leider nichts, was einem Herrscher wirklich gut bekommt. „Die Medien“ wollen ja schließlich Glanz und Pomp und Gloria. Machtworte auch. Und wenn der Qualm ihrer Salutschüsse sich dann verzogen hat, wollen sie einen Ziegenbock in eine unendliche Wüste jagen.

      Wir haben genau die Politiker, scheint mir, die wir verdient haben. Mehr noch. Wir haben die, die wir gewählt haben. Die, die wir selbst gewesen wären, haben wir leider bisher nicht gehabt. Ist aber viellecht besser so.

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @mowgli:

        Bescheiden, kleinlaut ? Der Laden fliegt auseinander ? Das schwächste Glied stärken ?



        So läuft das nicht, gegen den Horrorclown nicht und auch nicht gegen mediokre Halbfaschos wie Orban, Seehofer oder Kaczinsky.

        Ich sag mal so: Großbritannien ist gerade dabei seine Lektion zu lernen und wird schlussendlich in der Eurozone verbleiben, weil sich die Erkenntnis - selbst bei der Mehrheit der dümmsten Brexiteers durchsetzen wird, dass alles andere höchst schädlich ist, fürs eigene Land.

        Die EU wird größer werden, eine noch engere gemeinsame Handels-, Steuer- und Verteidigungspolitik betreiben (müssen) und erkennen, dass man nur so stärlker ist als China oder die USA.



        Das Einstimmigkeitsprinzpip muss fallen, es muss spürbare Konsequenzen geben gegen sich EU-vertragswidirg verhaltene Länder wie Polen oder Ungarn.



        Was meinen Sie, wie schnell Orban weg vom Fenster ist, wenn es ans Eingemachte geht, also ans Geld ?

        Und genau dann wird man erkennen, dass Macron recht hat und sich ihm anschliessen, um zB. einen europäischen Finazminister einzusetzen, mit eigenem Initiativrecht, Budget etc. Und dann gehts weiter ...