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Macron auf Staatsbesuch in den USAEin Bäumchen gegen die „krauts“

Ambros Waibel
Kommentar von Ambros Waibel

Macron pflanzt mit US-Präsident Trump eine Eiche aus dem Wald von Belleau. Es ist ein Signal an Frankreichs asozialen Nachbarn: Deutschland.

Zwei Männer pflanzen eine Eiche: Macron beim Staatsbesuch im Weißen Haus Foto: dpa

K ürzlich habe ich meinem ältesten Sohn empfohlen, auszuwandern, zum Beispiel nach Australien. Er wird dieses Jahr volljährig, es ist also an der Zeit, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Er hat nur jaja gesagt, wie das 17-Jährige so tun, und so kam ich nicht in die Verlegenheit, ihm meine Beweggründe für diese Empfehlung zu erläutern.

Es ist nämlich eher ein Gefühl – und eine Frage.

Das Gefühl ist, dass die deutschen Eliten es gerade zum dritten Mal versemmeln, für sich dauerhaft einen Platz an der Sonne zu besetzen. Stattdessen setzen sie wesentlichen Partnern in der Europäischen Union die Pistole auf die Brust: durch ihre arrogante Politik des Exportüberschusses und der mangelnden Stimulierung der deutschen Inlandsnachfrage. Im Fachjargon nennt man das „Beggar-thy-Neighbor-“ oder auf gut Deutsch: „Ruiniere-deinen-Nachbarn-Politik“.

Die Frage ist: Wieso unsere Nachbarn in Europa sich das – mit Ausnahme Großbritanniens, dem London dann als Hauptstadt doch besser gefällt als Berlin oder Frankfurt – immer noch gefallen lassen.

Verhält sich ein Partner dauer- haft asozial, muss man sich von ihm trennen

Monatelang hat der französische Präsident Emmanuel Macron auf die Berliner Regierungsbildung gewartet. Macron versucht derzeit den französischen Sozialstaat nach deutschem Vorbild zu entmanteln. Als Gegenleistung hat er auf Bewegung in Berlin gehofft und dabei nicht nur auf Merkel, sondern auch auf die Sozialdemokraten gesetzt – insbesondere Letzteres war natürlich ein besonders nai­ver Fehler.

In einer Situation, in der ein Partner sich durchgehend so asozial verhält wie Deutschland, muss man sich von ihm trennen. Staaten sind aber standortfest. Deswegen führen sie stattdessen dann auch mal Kriege. Oder sie pflegen zumindest Kriegsrhetorik.

Symbolischer Spatenstich

Die symbolische Geste von Trump, Macron und Ehefrauen ist auf dieser Eskalationsstufe noch sehr niedrig angesetzt. Aber an was sonst sollte das im Garten des Weißen Hauses eingepflanzte Eichenbäumchen aus dem Wald von Belleau erinnern als daran, dass französische Soldaten und US-Marines dort 1918 gegen den gemeinsamen Feind, gegen „krauts“ und „boches“ kämpften, dass sie schließlich unter großen Opfern siegten – und dass sie jederzeit dazu bereit wären, diese Anstrengung zu wiederholen?

Eine solche Bild-Interpretation kommt in einem geschichtsvergessenen Land, das sich selbst gern als Erfinder der biodynamischen Landwirtschaft, der Mülltrennung und überhaupt alles Guten in der Welt sieht, übertrieben rüber. Wir hier pflanzen zu Hause Eichen als soziale Plastik beziehungsweise im Ausland zur Versöhnung – denn das war ja immer der Trick der Deutschen: Versöhnt euch mit uns, überfallene und ausgeplünderte Länder dieser Welt, denn wenn ihr es nicht tut, wer weiß, was wir dann noch so draufhaben!

Historische Vergleiche haben natürlich ihre Grenzen – was nicht zuletzt am politischen Personal hängt. Trump ist nicht Roosevelt, er ist ja noch nicht mal George W. Bush. ­Macron ist weder de Gaulle noch der Nazi­freund Pétain. Nur die deutschen Eliten, die Schäubles und Scholzens, scheinen dem Wiederholungszwang zu unterliegen, immer wieder in die alte Arroganz abzurutschen.

Aber – das ist, wie gesagt, nur so ein Gefühl. Einem Baum, dem Trump zu nahe gekommen ist, dürfte ohnehin keine lange Lebensdauer beschieden sein.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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10 Kommentare

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  • "Die Frage ist: Wieso unsere Nachbarn in Europa sich das – mit Ausnahme Großbritanniens, dem London dann als Hauptstadt doch besser gefällt als Berlin oder Frankfurt – immer noch gefallen lassen."

     

    Die Antwort: Target II Salden.

  • Danke, Ambros Waibel, für diese fast verzweifelt klingende Analyse der französisch-amerikanischen Eichensymbolik. Der eine rächt sich für die staatsfrauliche Belehrung aus Berlin über die Art, wie sich US-Präsidenten gefälligst zu verhalten haben. Der andere verflucht die Zeit, die ihm durch die Finger gerannt ist, während er auf die quälende Regierungsbildung des gestrengen deutschen EU-Zuchtmeisters wartete.

     

    An diesen wohlverpackten Spitzen gegen den Partner am Rhein zeigt sich die maßlose Enttäuschung Macrons, dass durch den Wechsel von Schulz zu Scholz aus der erwarteten SPD-Unterstützung seiner EU-Pläne eine neue Schäuble-Blockade geworden ist. Während die Kanzlerin und die von anmaßenden Bayern usurpierte Berliner Regierung überhaupt nicht mitbekommen will, was da mit den andern Europäern alles schiefläuft, feiern sich die beiden Egomanen als nicht etablierte Neupolitiker.

     

    Leider könnten sie mit ihrer provokativ gemeinten Erinnerung an 1918 denen in ganz Europa Auftrieb verschaffen, die nicht nur die "amitié franco-allemande" für übertrieben halten, sondern auch in neu belebten WE FIRST-Nationalstaaten dieKonflikte mit den jeweiligen Nachbarn hervorkramen und die historischen Hass-Emotionen neu beleben wollen. Die alten Balkanhetzer aus den 90er-Jahren lassen grüßen.

     

    Wenn schon Merkels ablehnendes Zögern und das CDU-Papier des CDU-Hardliners Brinkmann den enttäuschten Europa-Erneuerer zu solch drastischen Gesten verleitet, wird ihm auch die "freundschaftliche" Nähe zu Trump nicht helfen, den nun vorerst drohenden kalten Zerfall der EU in interessenbedingte Zonen zu verhindern :

    Süd (Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland und andere), Nord (Deutschland, NL, B, LUX, Finnland, Schweden, Dänemark u.a.) und Ost (Visegrad-Staaten, Österreich, Kroatien und ...Söder-Bayern).

    Damit läutet ausgerechnet der ehrgeizige Macron ein neues nationalistisches Zeitalter in Europa ein.

    Redakteurssohn, verlass das sinkende Schiff !

  • Ende letzten Jahres mußte im Garten des WH eine alte Eiche aus Sicherheitsgründen gefällt werden. Also wurde eine neue gebraucht.

     

    Pragmatisch wie die Amis nun mal sind hat man dies mit dem Staatsbesuch Macrons kombiniert. Ziel: symbolische Bilder, die die tiefe Freundschaft zw. den USA und Frankreich ausdrücken.

     

    Von allen Beteiligten wird wirklich niemand an das heutige Deutschland gedacht haben (schon garnicht als potenzielles Feindbild).

     

    Der Autor hat mit seiner Kritik an der deutschen Politik ja recht; dennoch sollte er sich klarmachen: Deutschland ist nicht der Nabel der Welt.

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @Der Mann, der unter einen Stein hervorkroch:

      Deutschland ist nicht der Nabel der Welt, aber Macron macht in den USA Europapolitik und hat dabei Deutschland klar im Auge.

      Worum geht es? Es geht Macron darum, sich als zuverlässigen Partner zu profilieren. Dabei erhofft sich Macron, dass wirtschaftlich ein paar Brocken vom Tisch fallen. Frankreichs Ökonomie erholt sich, die Arbeitslosigkeit sinkt und die industrielle Produktion steigt an. Aber Frankreichs Achillisverse ist die Exportpolitik. Frankreich verkauft zu wenig Produkte im Ausland, obwohl es hochwertige Industriegüter produziert.

      Macron will also Merkel bei Trump ausstechen und er weiss sehr genau wie der amerikanische Präsident tickt und dass dieser seine Entscheidungen nach Gefühlslage fällt und nicht aufgrund rationaler Abwägungen. Merkel kann da nicht mithalten, sie ist Macron in allen Belangen unterlegen. Sie denkt zu schematisch und hat von Psychologie überhaupt keine Ahnung.

  • Ziemlich beste Freunde - De Gaulle würde sich im Grabe rumdrehen

     

    Der Besuch scheint ja vor hintergründiger Symbolik nur so zu strotzen. Gestern dinierten die Trumps tête à tête mit den Macrons auf dem einstigen kolonialen Landsitz von George Washington in Mount Vernon, Virginia, einer politisch höchst emblematischen Location. Das hat es seit John F. Kennedy nicht mehr gegeben und soll nicht mehr und nicht weniger an den „einzigartigen Status Frankreichs erinnern, dem ersten Verbündetet Amerikas“, so die Sprecherin des Weißen Hauses Sarah Sanders.

     

    Der überzeugte Europäer und Apologet des Multilateralismus und der protektionistische Verfechter von „America first“ haben also überraschend privilegierte Beziehungen angeknüpft, deren sichtbarster Ausdruck die militärische Zusammenarbeit ist. Macron, „dieser brillante und solide Typ“ (Trump über den französischen Präsidenten) hatte den rechten Kotzbrocken vom Potomac River schon mit einer glanzvollen Militärparade zum 14. Juli beeindruckt und in sein Herz geschlossen. Er wurde daraufhin sogleich in den inneren Zirkel der globalen Führer aufgenommen.

     

    De Gaulle würde sich im Grabe rumdrehen.

    • @Reinhardt Gutsche:

      zum thema ersten Verbündeten:

      Die „Moroccan-America Treaty of Friendship“ von 1783, die von den späteren US-Präsidenten John Adams und Thomas Jefferson unterschrieben wurde, ist der längste ungebrochene Freundschaftsvertrag der USA mit einem anderen Staat. oder meinten Sie nur in Bezug auf Europa der erste Verbündete?

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Wie hiess es doch so schön "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen."

    Bismarck hatte auch schon gesagt, der Platz Deutschlands sei in Europa. Und man kann hinzufügen, dieses Europa muss von Deutschland beherrscht werden.

    Frankreichs Linke hat ja eh schon Deutschlands Europäismus immer als versteckte Hegemoniebestrebung beargwöhnt. Zurecht!

  • Oh, richtig, mit 200 Milliarden Euro Nettobeiträgen an die EU seit der Wiedervereinigung (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/nettozahler-deutschland-die-melkkuh-der-eu-12057983.html) und dem hohen Deutschen Anteil an den 214,2 Milliarden Euro der griechischen Rettungspakete seit 2010 ist Deutschland ja soo was von asozial zu den Ländern Europas.

    Da muss man ja kriegsgeil werden,

    Herr Waibel.

  • Möglicherweise sollte sich Herr Macron weniger um Bäume kümmern und statt dessen endlich mal erläutern, welche Vorteile seine Vorschläge für den östlichen Nachbarn haben sollten. Diese Erläuterungen wären als Einstieg in eine offene Diskussion dringend notwendig.

  • Sie haben den Kern schön getroffen, Herr Waibel.