Machtwechsel in Polen: Donald Tusk ist neuer Premier
Das polnische Abgeordnetenhaus wählt den ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk zum Regierungschef. Für die PiS ein „deutscher Spion“.
taz | Die letzten Töne der Nationalhymne „Noch ist Polen nicht verloren“ hingen noch in der Luft, als Jarosław Kaczyński, der Parteichef der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS), das Rednerpult am Montagabend im polnischen Abgeordnetenhaus erklomm; sich an den frisch gewählten Premier Polens Donald Tusk wandte und keifte: „Sie sind ein deutscher Spion!“ Tusk, der wenige Minuten zuvor noch vor Freude strahlend den Abgeordneten gedankt und den Tag seines Sieges den beiden Großvätern gewidmet hatte, saß wie versteinert in der Abgeordnetenbank. Er hatte wohl gehofft, dass die Geschichte seiner Großväter, die beide als Angehörige der ethnischen Minderheit der Kaschuben in Nazi-KZs gelitten hatten, die jahrelange PiS-Hasskampagne gegen ihn beenden würden. Er irrte sich.
Spät am Montagabend hat das polnische Abgeordnetenhaus, der Sejm, den bisherigen Oppositionsführer Tusk mit der Regierungsbildung beauftragt. 248 Abgeordnete stimmten dafür, 201 dagegen. Damit leitete der Sejm einen Machtwechsel im Land ein, das seit 2015 von der rechtspopulistischen PiS regiert wurde.
Anschließend traf sich Tusk, der nun als Chef der siegreichen Koalition aus liberalkonservativer Bürgerkoalition (KO), christlich-agrarischem Drittem Weg und Neuer Linker die nächsten vier Jahre in Polen regieren wird, mit dem Staatspräsidenten Andrzej Duda. Dieser hatte zunächst den PiS-Premier und Wahlverlierer vom 15. Oktober mit der Regierungsbildung beauftragt, Mateusz Morawiecki, und eine neue große PiS-Regierung vereidigt. Nach nur zwei Wochen war diese Regierung schon Geschichte. In der Vertrauensabstimmung im polnischen Abgeordnetenhaus, fiel sie krachend durch. Kaczyński, Morawiecki und Präsident Duda erlebten ihr selbst inszeniertes Waterloo und wenige Stunden später den glorreichen Sieg der bisherigen Opposition.
Regierungsprogramm und Kabinett am Dienstag vorgestellt
Am Dienstag stellt nun Tusk sein Regierungsprogramm für die nächsten vier Jahre und sein Kabinett vor. Am Mittwochmorgen, nach der Vereidigung der neuen Minister durch Präsident Duda, kann dann die neue Regierung nach zwei Monaten unnötiger Wartezeit endlich durchstarten.
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