Machtspiele in Nordostasien: Kim Jong Un schon wieder in China
Nordkoreas Diktator Kim Jong Un laviert zwischen den USA und China. Er könnte jetzt versuchen, sie gegeneinander auszuspielen.
BERLIN taz | Schon zum dritten Mal seit Ende März ist Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un am Dienstag nach China gereist. Über Inhalte der Reise schwiegen beide Seiten zunächst. Chinas Zentralfernsehen zeigte lediglich Bilder einer Begegnung von Kim und seiner Ehefrau Ri Sol Ju mit Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping mit dessen Frau Peng Liyuan in der Großen Halle des Volkes.
Es wird erwartet, dass Kim Xi über sein historisches Treffen mit US-Präsident Donald Trump vor einer Woche in Singapur unterrichtet und zugleich auf ein schnelles Ende der Sanktionen drängt.
Erst seit China die gegen Nordkorea wegen dessen Atom- und Raketenprogramms verhängten UN-Sanktionen stärker umgesetzt hat, geriet das Regime in Pjöngjang so stark unter Druck, dass es sich zu einer diplomatischen Offensive genötigt sah. Nordkoreas Außenhandel findet zu etwa 90 Prozent mit China statt.
China hat bereits signalisiert, dass es die Sanktionen gern wieder lockern würde. Die USA wollen aber an ihnen festhalten, bis Nordkorea vollständig denuklearisiert ist. Zwar hatte Kim eine solche Denuklearisierung bei seinem Treffen mit Trump zugesagt. Doch ist unklar, was genau er darunter versteht, abgesehen davon, dass Nordkorea dies schon früher versprochen, aber nie gehalten hatte.
Kim könnte vielmehr jetzt auch versuchen, die USA und China gegeneinander auszuspielen. Zudem traf er jetzt in Peking ein, unmittelbar nachdem die USA neue Strafzölle gegen China angekündigt hatten.
US-Strafzölle gefährden Pekings Hilfe bei Sanktionen
Washington ist bei den Nordkorea-Sanktionen stark auf Chinas Mitwirkung angewiesen. Doch weshalb sollte Peking der Trump-Regierung diesen Gefallen tun, wenn die USA selbst mittels Strafzöllen den Konflikt mit China suchen? Vielmehr könnte China den Korea-Konflikt nutzen, um Washington zur Abkehr von der Politik der Strafzölle zu bewegen.
Neu ist beim jetztigen Besuch, dass Peking erstmal Kims Reise vorab ankündigte. Bisher hatte Chinas Staatsführung Kims Besuche immer erst dann bestätigt, nachdem der Diktator bereits wieder abgereist war.
Und die letzten Male war Kim mit einem gepanzerten Zug gekommen. Zum Treffen mit Trump in Singapur war er erstmals in einem chinesischen Flugzeug angereist. Auch jetzt kam Kim, der als Machthaber bis zum März noch nie ins Ausland gereist war, mit dem Flugzeug. Offenbar versuchen beide Seite mit dem jetzigen Treffen den Eindruck von Normalität und Routine zu verbreiten und Kim als Staatsmann zu inszenieren.
Direkt vor Kims jetziger Reise hatten die Regierungen in Seoul und Washington bestätigt, auf ihr für August geplantes nächstes gemeinsames Militärmanöver in Südkorea zu verzichten.
„Provokatives Kriegsspiel“ abgesagt
Trump hatte den Verzicht auf das jährliche Manöver, das er als „Provokation“ und „Kriegsspiel“ bezeichnete, nach dem Treffen mit Kim in Singapur überraschend angekündigt.
Mit dem vorher nicht abgesprochenen Schritt überraschte Trump sowohl das eigene Pentagon wie Südkoreas Regierung. Beide fügten sich aber inzwischen.
Dafür hat Südkoreas Militär am Montag Übungen zur Verteidigung der Dokdo-Inselgruppe begonnen. Diese auf Japanisch Takeshima genannten Mini-Felseilande, die von Südkorea kontrolliert werden und im koreanisch Ostmeer genannten Gewässer (Japanische See) zwischen der koreanischen Halbinsel und Japan liegen, sind zwischen beiden Staaten heftig umstritten.
Südkorea nutzte für das zweitägige Manöver, das seit 1986 alle halbe Jahr stattfindet, sechs Kriegsschiffe und sieben Flugzeuge.
Während Südkoreas Regierung voll des Lobes über das Treffen zwischen Trump und Kim war und sich in ihrer Entspannungspolitik gegenüber Pjöngjang bestätigt fühlt, hat Japans Regierung damit am meisten Probleme. Tokio fühlt sich marginalisiert. Auch passte Ministerpräsident Shinzo Abe Nordkoreas Raketenrüstung bisher gut ins Kalkül, um die japanische Verfassung in Richtung einer stärker militarisierten Außenpolitik ändern zu können.
Leser*innenkommentare
Reinhold Schramm
Zur imperialistischen Konkurrenz zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Volksrepublik China im 21. Jahrhundert.
Warum das imperialistische China dem Handelskrieg mit den imperialistischen USA ruhig und selbstbewusst begegnen sollte.
Von Wang Xiaohui, Chefredakteur von China.org.cn:
»{...} Zu Beginn der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts konnten die USA durch die Aufhebung des Goldstandards die Position des Öldollar etablieren und dadurch nicht nur die Ressourcen der Welt kontrollieren, sondern auch noch durch ihren "Dollar-Imperialismus" die ganze Welt für ihre hohen Ausgaben bezahlen lassen. Die USA hatten sich jeden erdenklichen Vorteil verschafft. Um die Stellung des US-Dollar als Weltwährung zu schützen, ist es notwendig ihn in der ganzen Welt in Umlauf zu halten. Das geht notwendigerweise mit roten Zahlen bei der Handelsbilanz einher. Diese Logik ist simpel: was weg ist, ist weg. Das muss den Amerikanern auch klar sein, man redet nur nicht darüber.
Wenn also die ungleiche Handelsbilanz ein strukturelles Problem ist und sich nicht innerhalb kurzer Zeit lösen lässt, dann wird es auch in Zukunft langfristig bei Spannungen und großen wie kleinen Handelskriegen zwischen China und den USA bleiben. Was kann man dagegen tun? Es bleibt nur eine Mischung aus Gesprächen und Säbelrasseln, genauso, wie es schon damals im Koreakrieg war. Das Säbelrasseln dient einer besseren Positionierung in den Gesprächen und die Gespräche dienen dazu, das Säbelrasseln zu reduzieren oder zu beenden.«
Ein Auszug, vgl. Kommentar von Wang Xiaohui, Chefredakteur von China.org.cn
Warum China dem Handelskrieg ruhig und selbstbewusst begegnen sollte Exklusiv
//german.china.org.cn/txt/2018-06/20/content_52768275.htm
76530 (Profil gelöscht)
Gast
Putzig zu lesen, dass Kim versuchen könne China und die USA gegeneinander auszuspielen. Das können die doch ganz alleine, wie die wechselseitigen Schritte zum aktuellen Handelskrieg zeigen.