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Machtmissbrauch vor GerichtKleiner Erfolg für #MeToo

Die Klage der Schauspielerin Merve Aksoy gegen einen Regisseur wird in zweiter Instanz verhandelt. Aksoy enthält Schmerzensgeld für Nacktaufnahmen.

Protest auch auf dem Roten Teppich: Merve Aksoy bei der Eröffnung der Berlinale 2025 Foto: Nina Schieben

Berlin taz | Alles sei wie im Drehbuch abgelaufen. In der geprobten Szene ereignet sich ein Konflikt zwischen Vater und Tochter, bei dem es zu physischen Gewaltanwendungen kommt. So auch die Ohrfeige, die der Vater der Tochter verpasst. „Die habe ich mit einer Handbewegung nur angedeutet“, sagte der vorgeladene Zeuge am Freitagmittag vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.

Die beschriebene Situation trug sich beim Casting der Schauspielerin Merve Aksoy zu – für einen Film, der im Jahr 2021 in der Türkei gedreht wurde und zwei Jahre später seine Premiere auf der Berlinale hatte. In der beschriebenen Szene spielte Aksoy die Tochter. Der Zeuge war nicht nur ihr Anspielpartner, sondern zugleich der Regieassistent des Films.

Gänzlich anders sieht das Aksoy. Die Ohrfeige sei nicht angedeutet, sondern ausgeführt worden, entgegnete sie am Freitag hörbar aufgebracht. Und das mit einer Härte, die nicht nur eine rote Wange hinterließ, sondern auch eine der Gründe ist, wieso sie im Jahr 2023 vor das Berliner Arbeitsgericht zog und Klage gegen den Regisseur sowie die Produktionsfirma Zeitgeist mit Sitz in Berlin und Frankfurt erhob.

Diese Klage wurde in erster Instanz abgelehnt. Ein Vergleich – eine Unterlassungserklärung und Schadensersatz in Form von Schmerzensgeld – kam auf Ablehnung der Beklagten hin nicht zustande. Aksoy hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, die am Freitag verhandelt wurde.

Die Schauspielerin wirft der Gegenseite vor, dass entgegen vertraglicher Vereinbarungen Nacktaufnahmen verwendet wurden, zu denen sie gedrängt worden sei. Auf der Berlinale habe sie die Szenen erstmals gesehen. Zudem sei es in mehreren Szenen zu Gewaltanwendung gekommen, die nicht „gespielt“ waren, wie Aksoy auch am Freitag bekräftigte. Bis heute sei sie davon traumatisiert. Die Gegenseite wies die Anschuldigungen in beiden Instanzen zurück.

Keine ausreichenden Belege für Gewalt

Nach rund drei Stunden erklärte Vorsitzende Richterin Schulze-Doll die Verhandlung für beendet. Neben Aksoys Anspielpartner wurden keine weiteren der insgesamt fünf vorgeladenen Zeu­g:in­nen angehört. Das Urteil fiel am späten Nachmittag: Die Beklagten-Seite wird auf Unterlassung weiterer Verbreitung der Nacktaufnahmen verurteilt. Zudem muss sie ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro an Aksoy zahlen. Als „fulminant“ bezeichnet der Anwalt der Schauspielerin, Ralf Burmester, das Urteil.

Weitere Schmerzensgeldansprüche werden abgewiesen: Die vorgelegten Bildaufnahmen von Aksoys Verletzungen sowie das Videomaterial von Proben- und Drehaufnahmen allein seien nicht ausreichend, um darin eine vorsätzliche Ausübung von Gewalt zu erkennen. Um Anspruch auf Schmerzensgeld zu haben, muss sich der Vorsatz zudem über die Ausübung hinaus auf den eingetretenen Schaden erstrecken. Dieser Doppelvorsatz sei von Aksoy nicht vorgetragen worden, wie es im Urteilsbegründung heißt.

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