Machtlosigkeit des DFB-Präsidenten: Kapitän ohne Team
DFB-Präsident Fritz Keller macht in der Krise keine gute Figur, weil er sich auf das falsche Team einlässt. Da helfen die besten Ideen nichts.
E igentlich wollte DFB-Präsident Fritz Keller zuerst nichts dazu sagen. Er müsse die Fachleute dazu konsultieren, sonst stochere er im Nebel. Und natürlich versicherte er pflichtschuldig, den Nebel lüften zu wollen. Der Aufmarsch der gut 200 Fahnder diese Woche, die in der Verbandszentrale und diversen Privathäusern dem Verdacht des Steuerbetrugs nachspürten, warf zusätzlich den Verdacht auf, der DFB stecke grundsätzlich tiefer im Sumpf alter dunkler Machenschaften als angenommen. Und dann sagte Fritz Keller noch diesen Satz: „Das hat der Fußball nicht verdient.“
So spricht einer, der von draußen, von seinem moralischen Kompass aus geleitet, drauf schaut. Es sind nicht die Worte eines Steuermanns, der die Schwachstellen seines unzulänglichen Gefährts kennt und einen Plan verfolgt, wie er die reparieren kann. Und damit ist ein Grundproblem der Präsidentschaft von Fritz Keller beschrieben.
Das ist erst einmal keine revolutionäre Erkenntnis. Viele haben bereits zur Amtseinführung von Keller im September 2019 auf dieses Konstruktionsproblem hingewiesen, das seinen Reformvorstellungen gleich jegliche Kraft nahm. Mit der Wahl von Keller schaffte der DFB-Bundestag zugleich die Richtlinienkompetenz des Präsidenten ab. Man nahm dem Neuling im Apparat die Macht, sich auch gegen Widerstand durchzusetzen. Das ist so, als würde man einem Automechaniker verbieten, bei der Reparatur die Hände zu benutzen.
Von Anfang an wurde Keller als eine Art Frühstücksdirektor wahrgenommen. Und in der Tat: Die aufrichtigen und beschwingten Reden des 63-jährigen Winzers über die Notwendigkeit von Transparenz etwa bei der WM-Affäre 2006 und ökonomischer, ökologische und sozialer Nachhaltigkeit im Verband werden regelmäßig von seinen Mitarbeiter:innen konterkariert.
Appelle für Kabarettisten
Die zu erwartenden Steuernachzahlungen werden die durch Corona verschärfte finanzielle Schieflage des Verbandes weiter verschlechtern. Nach dem Flug der Nationalmannschaft von Stuttgart nach Basel kürzlich kommen die DFB-Appelle ans Umweltbewusstsein aller nur noch bei den Kabarettisten an. Und mit sozialer Nachhaltigkeit hat die vom DFB ins Auge gefasste Etatkürzung bei den Fanprojekten, die möglicherweise den Abzug von Sozialarbeitern an prekären Standorten wie Chemnitz, Cottbus oder Aachen bedeuten würde, sowieso nichts zu tun.
Warum aber hat sich Fritz Keller beim Antritt seiner gewaltigen Aufgabe die Hände binden lassen?
Seine Zustimmung zu seiner Machtbeschränkung ist von einem durchaus sympathischen demokratischen Selbstverständnis getragen, dass einer allein den Laden nicht schmeißen kann und die Aufgabe, wie er häufig betont, nur in Teamarbeit zu bewältigen sei. Diejenigen, die sich über den autoritären Saustall namens DFB empören, hängen oft auch autoritätsgläubigen Vorstellungen an nach dem Motto: Da muss endlich mal einer ordentlich aufräumen. Ob auf diese Weise ein Kulturwandel im Verband etabliert wird, kann mit guten Gründen bezweifelt werden.
Kellers Idee der Teamarbeit ist eine vielversprechendere. Sein Problem ist nur, dass er einem Team vertrauen muss, das noch zu sehr mit alten dubiosen Seilschaften verbunden ist und ihn deshalb so täppisch aussehen lässt. In dem System sind durchaus auch gute Ansätze vorhanden. Der DFB ist, wenn oft auch erst durch Druck von außen, seiner gesellschaftlichen Verantwortung zunehmend besser gerecht geworden. Die Projekte dienten den Altvorderen indes gern als Deckmäntelchen.
Es fehlt nach wie vor ein übergeordnetes Konzept, das alles zusammendenkt, mit dem sich alle identifizieren können. Fritz Keller ist für den Reformprozess nicht entscheidend. Es braucht ein neues Team, Verstärkungen von außen. Dieser Wandel kann am besten durch den Druck der Staatsanwaltschaften und der Gerichte eingeleitet werden.
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