Machtkampf in der Türkei: Zwielichtiger Deal von Justiz und Militär
Als Folge der Putschpläne von 2003, erklärt sich die Armeespitze bereit, vor Gericht gestellt zu werden. Im Gegenzug werden die ranghöchsten Generäle nicht verurteilt.
ISTANBUL taz | "Haben Sie Vertrauen in den Staat! Alle Institutionen arbeiten im Rahmen der Verfassung." Mit dieser Botschaft an die Bevölkerung ging ein mit Spannung erwartetes Treffen zwischen Staatspräsident Abdullah Gül, Ministerpräsident Tayyip Erdogan und Generalstabschef Ilker Basbug zu Ende, das am Donnerstagvormittag, drei Tage nach der größten Verhaftungswelle führender Militärs in der Türkei, eilig anberaumt worden war.
Das ganze Land wartete darauf, wie das Militär auf die Festnahmen reagieren würde. Mit dem Statement nach dem Treffen mit Erdogan und Gül signalisierte die Armeespitze, dass sie bereit ist, sich dem juristischen Prozedere zu unterwerfen.
Seitdem erlebt die türkische Nation live im Fernsehen das bislang einmalige Schauspiel, wie führende ehemalige, aber auch noch aktive Generäle und andere höchste Offiziere vor dem Gerichtshof für schwere Straftaten im Istanbuler Stadtteil Besiktas dem Haftrichter vorgeführt werden. Von Dienstag früh bis Freitagabend fuhren vor dem Gebäude Gefangenentransporter vor, aus denen Polizisten der Antiterroreinheit Militärs in Zivil durch ein Spalier von Schaulustigen und einen Wald von Kameras ins Gerichtsgebäude geleiteten.
Bislang wurden 31 Militärs in U-Haft genommen. Sie werden vom Haftrichter mit einem langen Katalog von Fragen konfrontiert, der sich aus den Putschplänen, die in den letzten Monaten ruchbar wurden, ergeben. Diese Pläne reichen von einem Szenario, dass bereits 2002/03 unmittelbar nach dem Antritt der AKP-Regierung erstellt wurde, bis hin zu Überlegungen, die erst vor einem Jahr im militärischen Hauptquartier entstanden.
Allerdings hatte das Treffen zwischen Generalstabschef, Präsident und Ministerpräsident außer dem beruhigen Statement für die Bevölkerung noch ein weiteres Ergebnis. Die drei ranghöchsten Generäle wurden noch am selben Abend auf freien Fuß gesetzt. Möglich, dass der Haftrichter von sich aus zu der Auffassung gekommen ist, dass gegen diese Herren nicht genug Beweise vorliegen, doch das ist nicht wahrscheinlich.
Just von einem der drei, Admiral Örnek, stammt ein Tagebuch, in dem die Vorbereitungen zu einem Putsch 2003 skizziert werden. Eher war die Freilassung der drei ein Trostpflaster für Generalstabschef Basbug, damit er nicht mit leeren Händen ins Hauptquartier zurückkommt.
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