piwik no script img

Machtkampf in der TürkeiMilitär möchte vor Gericht

Die türkische Armee klagt gegen die Verurteilung hunderter Offiziere. Im vergangenen Oktober wurden Haftstrafen wegen eines Putschversuchs für rechtens erklärt.

Unter Generalverdacht: Erdogan bei einem Treffen der türkischen Militärführung. Bild: dpa

ANKARA afp | Die türkische Armee hat Wiederaufnahmeverfahren für hunderte Offiziere gefordert, die wegen Komplotts gegen die islamisch-konservative Regierung in zwei Prozessen verurteilt worden waren. Wie türkische Medien am Donnerstag weiter berichteten, reichte das Militär die entsprechende Klage am 27. Dezember bei der Staatsanwaltschaft in Ankara ein.

Im vergangenen Monat hatte Yalcin Akdogan, ein Berater von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan, in einem Zeitungsbeitrag geschrieben, dass hinter der Verschwörung gegen die Armee diejenigen stünden, die jetzt gegen Verbündete der Regierung umfassende Korruptionsermittlungen führten. Damit spielte er offenbar auf die Bewegung des in den USA lebenden Imams Fethullah Gülen an. Die Regierung macht deren Anhänger für das Vorgehen der Justiz verantwortlich.

Die Gülen-Bewegung, die in der Polizei und bei der Beamtenschaft starken Rückhalt hat, hatte Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) bei Wahlen bisher unterstützt. Sie sagte aber den Plänen der Regierung den Kampf an, bestimmte Privatschulen zu verbieten, aus denen die Gülen-Bewegung sich zu bedeutenden Teilen finanziert. Die türkische Armee hatte vergangen Woche versichert, sie wolle sich aus den derzeitigen politischen Wirren im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre heraushalten.

Das Militär sieht sich als Wahrer der weltlichen Prinzipien in der Türkei. Es putschte in den Jahren 1960, 1971 und 1980 und zwang 1997 eine islamistische Regierung zum Rücktritt. Die seit 2002 amtierende AKP-Regierung ging wiederholt gegen das mächtige Militär vor.

Im vergangenen Oktober erklärte der Berufungsgerichtshof in Ankara die Verurteilung hochrangiger Ex-Generäle der Armee vom August zu langjährigen Haftstrafen wegen eines Putschversuchs gegen die Regierung für rechtens. Damit blieben mehr als 200 Angeklagte im Gefängnis. In einem weiteren Prozess im August 2013 wurden mehr als 300 Militärs, darunter Vier-Sterne-Generäle, wegen eines Putschversuchs im Jahr 2003 zu Haftstrafen von 13 bis 20 Jahren verurteilt.

Gegner Erdogans sagen, die Regierung benutze das juristische Vorgehen gegen Offiziere aus politischen Motiven, um die Armee dauerhaft zu schwächen und das Ansehen der Streitkräfte in der Bevölkerung zu untergraben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare