piwik no script img

Machtkampf in Venezuela15 Jahre Ämterverbot für Guaidó

Der oberste Rechnungsprüfer verbietet Oppositionsführer Guaidó die Ausübung öffentlicher Ämter. Der findet das einen schlechten Witz.

Oppositionsführer Juan Guaidó bei einer Kundgebung in Caracas am Donnerstag Foto: reuters

Buenos Aires taz | Im Machtkampf in Venezuela zieht die Regierung die Zügel weiter an. Am Donnerstag verbot der Oberste Rechnungshof dem selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó für 15 Jahre die Ausübung aller politischen Ämter. Als Begründung nannte Venezuelas Oberster Rechnungsprüfer Elvis Amoroso Falschangaben, die Guaidó als Abgeordneter der Nationalversammlung bei der Offenlegung seiner Vermögensverhältnisse gemacht habe.

„Er hat 91 Reisen ohne Genehmigung der Nationalversammlung für einen Betrag von 570 Millionen Bolivar unternommen, die er mit seinem Gehalt als Beamter nicht rechtfertigen kann,“ erklärte Elvis Amoroso. Zugleich habe Guaidó „öffentliche Funktionen übernommen und Aktionen zusammen mit ausländischen Regierungen unternommen, die der Bevölkerung von Venezuela Schaden zufügen“, sagte Amoroso und forderte die Staatsanwaltschaft auf, Ermittlungen einzuleiten.

Der Vorgang reiht sich ein in die gegenseitige Nichtanerkennung von Parlament und Regierung. Während für die von der Opposition dominierte Nationalversammlung Staatschef Nicolás Maduro ein Usurpator ist, der sich nach einer gefälschten Wahl die Macht angeeignet hat, erkennt die Regierung ihrerseits die Nationalversammlung nicht an und hat sich stattdessen mit einer Verfassunggebenden Versammlung ein getreues Parlament wählen lassen.

Guaidó erklärte umgehend, die Entscheidung nicht zu akzeptieren. „Die Menschen in Venezuela werden sich nicht hinters Licht führen lassen“, sagte er. „Er ist kein Rechnungsprüfer. Nur das legitime Parlament kann als Einziges einen Rechnungsprüfer ernennen“, sagte Guaidó. Rechnungsprüfer Elvis Amoroso wurde von der Verfassunggebenden Versammlung eingesetzt.

Nicht verhaften, sondern politisch kaltstellen

Bereits 2017 hatte der Oberste Rechnungshof den Oppositionspolitiker Henrique Capriles mit einen 15-jährigen Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter belegt. Seither ist es um den zweimaligen Präsidentschaftskandidaten der Opposition ruhig geworden.

Beobachter in der Hauptstadt Caracas sehen in dem Beschluss gegen Guaidó ein ähnliches Vorhaben der Regierung. Anstatt den 35-jährigen Oppositionsführer zu verhaften, versucht sie ihn politisch zu lähmen. Tatsächliche Konsequenzen hätte das Ämterverbot jedoch nur bei einer von der Regierung ausgerufenen Wahl. Eine solche aber würde von der Nationalversammlung nicht anerkannt.

Reaktionen kamen auch aus dem Ausland. „Lächerlich“ nannte Robert Palladino, Sprecher des US-Außenministeriums, die Entscheidung. In der ecuadorianischen Hauptstadt Quito kamen am Donnerstag die Vertreter der Venezuela-Kontaktgruppe aus europäischen und lateinamerikanischen Staaten zusammen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte, die Gruppe bemühe sich weiterhin darum, „durch freie und glaubwürdige Wahlen das Land friedlich aus der Krise zu führen“.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Von Capriles hört man nichts mehr und auch Guaidó hat sein Haltbarkeitsdatum bereits überschritten. Die 30 Tage Übergang des Selbsternannten sind schon seit einer Weile abgelaufen.

    Mal sehen was folgt. Dass der keine Wurst vom Teller zieht, sollte man inzwischen selbst in Washington gemerkt haben.

  • "Reaktionen kamen auch aus dem Ausland. „Lächerlich“ nannte Robert Palladino, Sprecher des US-Außenministeriums, die Entscheidung. "

    Er hat vergessen anzufügen: "das machen wir doch alle. Dürfen Politiker jetzt nicht mehr korrupt sein?"

    Zum Konflikt: Wie so oft ist die Wahrheit ein Kompromiss: beide haben Unrecht und kaum Gutes im Sinn