Machtkampf in Australien: Labor entzieht Gillard das Vertrauen
Die australische Premierministerin Julia Gillard hat eine parteiinterne Wahl gegen ihren Vorgänger Kevin Rudd verloren. 2010 hatte sie ihn verdrängt.
CANBERRA taz | Die australische Premierministerin Julia Gillard hat am Mittwochabend (Ortszeit) eine parteiinterne Kampfwahl gegen ihren Vorgänger Kevin Rudd verloren. Die Abstimmung fiel mit 57 Stimmen für Rudd gegenüber 45 Stimmen für Gillard überraschend klar aus.
Damit übernimmt der 55-jährige ehemalige Premierminister wieder die Parteiführung und, nach seiner Vereidigung, auch das Amt des Regierungschefs. Gillard und die Laborpartei hatten in den drei Jahren ihrer Regierung in der Gunst der Wähler dramatisch an Unterstützung verloren.
Der Partei drohte bei den Wahlen am 14. September „eine katastrophale Niederlage“ gegenüber den Konservativen unter der Führung Tony Abbotts, wie Rudd es vor der Abstimmung im Labor-Aufsichtsrat ausdrückte.
Die 51 jährige Gillard hatte 2010 den damaligen Premierminister – als seine Stellvertreterin – selbst herausgefordert und gesiegt. Ein paar Monate später gewann sie die Wahlen gegen die Konservativen, allerdings nur dank der Unterstützung von unabhängigen Parlamentariern.
Seither hing ihr der Vorwurf, sie habe ihrem Vorgänger den Dolch in den Rücken gestochen, wie ein Stein um den Hals. Auch hatte sie die vorwiegend konservativen Medien mehrheitlich gegen sich. Gillard hatte unter anderem ein von der mächtigen Rohstoffindustrie heftig bekämpftes Klimagesetz eingeführt und trotz großer Hürden im Parlament ein Versicherungssystem für Behinderte durchgebracht.
In jüngster Zeit musste sie sich auch immer wieder sexistisch motivierte Beschuldigungen anhören, sowohl von den Medien als auch von Seite der konservativen Opposition.
Gillard meinte im Anschluss an den Entscheid, sie sei „stolz“ auf die Leistungen, die ihre Regierung erbracht habe. Mehrere Minister, die zu ihr gehalten hatten, traten auf der Stelle von ihrem Amt zurück. Unter ihnen befindet sich auch Ausbildungsminister Peter Garrett, der frühere Sänger der Rockgruppe „Midnight Oil“.
Mit der Ernennung von Rudd steigen die Chancen der Laborpartei, bei den kommenden Wahlen besser abzuschneiden. Von der Möglichkeit eines Wahlsieges will kaum ein Beobachter sprechen. Rudd meinte, es sei sein Bestreben, eine Übernahme der Macht durch Tony Abbott zu verhindern, den er als „extremistischen Ultrakonservativen“ bezeichnet.
Gillards Flüchtlingspolitik
Unter Gillard war die Laborpartei immer mehr in Richtung rechts gerückt. Das zeigte sich besonders deutlich in der Flüchtlingspolitik. Die Regierung verfolgt heute eine ähnliche „Politik der Abschreckung“ von Asylsuchenden wie Rudd‘s Vorgänger, der konservative Premierminister John Howard.
Tausende von Bootsflüchtlingen, unter ihnen fast 2000 Kinder, warten in Internierungslagern oftmals jahrelang auf einen Asylentscheid. Wie Rudd diese von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisierten Maßnahmen handhaben wird, dürfte entscheiden, ob die Laborpartei in ihren traditionellen Wahlgebieten in den Vororten von Grossstädten wieder Stimmen gewinnen kann. Dort ist die Abneigung gegen Asylsuchende besonders gross.
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