Machtkampf der Fatah in Palästina: Opposition muss draußen bleiben
Steht die Fatah vor der Spaltung? Beim Parteitag hat sich der Konflikt zwischen Abbas und seinem Rivalen Dahlan weiter zugespitzt.
Schon am ersten Tag des Parteikongresses ließ sich der 81-jährige Abbas ohne Gegenkandidaten als Vorsitzender der Fatah bestätigen. Chalabi spricht von der „großen Show des Mahmud Abbas“. Mit Demokratie habe das wenig zu tun. Sobald die Stimmen für die höchsten Parteigremien ausgezählt sind, wird Chalabi seine Mitgliedschaft im Revolutionsrat verlieren. Dennoch zeigt er sich zuversichtlich: „Ich werde politisch eher mächtiger sein“, sagt er. „Wir müssen an den Wurzeln arbeiten und uns von diesen Strukturen befreien.“ Es könne nicht sein, „dass nur ein Mann entscheidet“.
Seit acht Jahren amtiert Abbas ohne demokratisches Mandat als Präsident. 2007 zerbrachen das Parlament und die Regierung, damals unter Führung der islamistischen Hamas, die die Parlamentswahlen ein Jahr zuvor gewonnen hatte. Abbas ist gleichzeitig Palästinenserpräsident, PLO- und Fatah-Chef. Er regiert per Dekret, entlässt und ernennt willkürlich Minister. Vor drei Jahren schasste er den international anerkannten Regierungschef Salam Fayyad.
Mohammad Dahlan, sein schärfster Kritiker, war auf Weisung von Abbas schon 2011 aus der Partei ausgeschlossen worden und musste kurz darauf das Westjordanland verlassen. Abbas machte ihn für den angeblichen Mord an dem legendären PLO-Chef Jassir Arafat mitverantwortlich.
Druck auf Abbas aus dem Ausland
Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien drängen Abbas zur Versöhnung mit Dahlan. Trotzdem entschied der Fatah-Chef, seinen Rivalen und dessen Verbündete vom Parteitag fernzuhalten. Dutzende Delegationen aus dem Ausland waren nach Ramallah gekommen, was kaum darüber hinwegtäuschte, dass die internationale Rückendeckung für den Palästinenserpräsidenten schwindet. Die arabischen Nachbarn zürnen Abbas, weil er sich ihren Vermittlungsanstrengungen und auch ihrem Einsatz für Verhandlungen mit der Hamas verweigert.
Gleichzeitig macht die inner-palästinensische Opposition gegen den Chef mobil. Bei dem parteiinternen Zwist geht es nicht um Strategien, sondern um Macht und echte demokratische Prozesse, bei denen die Basis mitredet.
Seit der Rückkehr der Führung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), die Mitte der neunziger Jahre aus dem Exil kam, kämpft die junge Generation der Fatah gegen die alte Garde. Aus Zorn über seine Widersacher ließ Abbas laut der liberalen israelischen Tageszeitung Haaretz jüngst „hunderte Gehälter von Angestellten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) im Gazastreifen“ einfrieren.
„Es geht nicht um hunderte sondern nur um 13 Leute, die offen gegen Abbas sprechen“, kontert Dr. Jamal Nazzal, Sprecher der Fatah in Europa. „Diese Leute arbeiten gegen die legitime Führung des Landes, deshalb sind sie gekündigt worden.“ Nazzal, der eigens zum Parteitag nach Ramallah reiste, hält die Kritik an den Organisatoren des Parteitags für übertrieben. „Wir haben keine Befragung unter den Delegierten vorgenommen, bevor sie eingeladen wurden.“ Die Kongressteilnehmer repräsentierten die Basis der Partei, beharrt er, ohne zu erklären, warum mehrere Dutzend Mitglieder des Revolutionsrats und des Zentralkomitees vom Parteitag ausgeschlossen waren. „Es gibt Nachholbedarf“, räumt der Fatah-Sprecher aber ein. Die Partei müsse verjüngt werden, außerdem müssten „mehr Frauen“ in die Führungsgremien gewählt werden.
Analyst befürchtet Zuspitzung des Konflikts
„Keine weise Entscheidung“ nennt der politische Analyst Dschihad Harb die Zusammenstellung der Delegiertenliste für den Fatah-Kongress. Für Dahlan und seine Anhänger sieht Harb zwei Möglichkeiten: „Entweder sie halten einen alternativen Parteitag möglicherweise in Kairo ab, oder sie spalten die Fatah.“
Dahlan gewinne an Popularität vor allem im Gazastreifen. „Er ist ein Freund des (ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah) al-Sisi“, bei dem er durchgesetzt habe, den Grenzübergang für zwei Wochen zu öffnen. Er gilt zudem als erfolgreicher Geschäftsmann, der über so viel Geld verfüge, dass er den nun brotlos gewordenen Gegnern von Abbas unter die Arme greifen kann. Der Analyst fürchtet eine Zuspitzung des Konflikts.
Schon vor gut einer Woche sei es beinahe zu einem Schusswechsel gekommen, als palästinensische Polizisten im Flüchtlingslager al-Amari bei Ramallah eine Versammlung von Abbas-Gegnern auflösten. „Ich bekommen täglich Textbotschaften mit Drohungen“, berichtet Dimitri Diliani, der mit 43 Jahren „das jüngste Revolutionsratsmitglied“ gewesen sein will bis zu den Wahlen am Wochenende.
Diliani ist ins Büro von Haitham Chalabi gekommen, um mit anderen Abbas-Oppositionellen über weitere Schritte zu beraten. Die Stimmung ist geladen. „Abbas hat eine Autokratie aufgebaut, die im palästinensischen politischen System ohne Beispiel ist.“ Noch vor dem Parteitag hätte der Revolutionsrat in einer Sondersitzung die Teilnehmerliste absegnen müssen, was aber nicht passiert sei. „Es gab Leute, die haben Arafat einen Diktator geschimpft“, sagt Diliani. „Im Vergleich zu Abbas war Arafat ein Weltmeister der Demokratie.“
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