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Machtkampf am StadttheaterIntendant will den Ton angeben

In Bremerhaven will Intendant Lars Tietje den Generalmusikdirektor entmachten und künstlerisch allein verantwortlich sein. Das Orchester protestiert.

Damit soll 2026 Schluss sein: Links wirbt das Stadttheater, rechts ganz unabhängig das Orchester Foto: H. Zell/Wikimedia Commons

Bremen taz | Bis 2021 war der Betriebsfrieden am Staatstheater Schwerin unter Intendant Lars Tietje zerrüttet, seit 2021 leitet er das Stadttheater Bremerhaven. Auch dort den Betriebsfrieden zu stören, wirft ihm dessen größte Abteilung vor, das 53-köpfige Orchester.

Ausgangspunkt der eskalierenden Auseinandersetzung ist eine vom Magistrat im Frühsommer für den 1. August 2026 beschlossene Veränderung der Leitungsstruktur: Der Generalmusikdirektor (GMD) muss das Führungstrio des Hauses verlassen. Mit der „schlankeren“ Leitung werde das Theater „zukunftsfähig“ aufgestellt, betonen der Kulturdezernent Michael Frost wie auch die Theaterspartenleiter in einem Brief ans Orchester.

2026 wird GMD Marc Niemann das Stadttheater nach zwölf Dienstjahren auf eigenen Wunsch verlassen. Seine Nachfolge wurde ausgeschrieben, ein mehrstufiges Auswahlverfahren läuft derzeit. Dass der neue GMD von der Personalamtsleiterin, dem Kulturdezernenten, der Verwaltungsdirektorin und dem Intendanten, also ohne Beteiligung des Orchesters bestimmt wird, sorgt ebenfalls für Kritik.

Im Hintergrund geht es um Tietje selbst

Laut Tietje handelt es sich nicht um einen demokratischen, sondern partizipativen Prozess. Bei der Vorauswahl sei das Orchester beteiligt. Im Hintergrund der Debatte geht es um Tietje selbst. Sein Vertrag endet ebenfalls 2026, eine Verlängerung wird aber von ihm sowie vom derzeitigen wie auch künftigen Kulturdezernenten angestrebt und soll im November vom Magistrat beschlossen werden.

Derzeit wird das Theater von der Verwaltungsdirektorin, dem Intendanten und dem GMD geleitet. Der GMD kann nicht nur beratend, sondern entscheidend auf höchster Machtebene die Entwicklung des Theaters mitbestimmen sowie das Orchester unabhängig leiten und vermarkten.

Festgeschrieben ist, dass der GMD die Hoheit über das Konzertprogramm und die Besetzungen sowie die Personal- und Etatverantwortung fürs Orchester hat. Einvernehmlich muss er sich mit Tietje auf den Musiktheaterspielplan einigen, der Intendant darf das restliche Theaterprogramm bestimmen.

Ab 2026 hat der GMD nur noch eine von Tietje delegierte Verantwortung fürs Orchester. Er ist auch nicht mehr mit festgeschriebenen Kompetenzen bei der Stadt angestellt, sondern wie je­de:r Schau­spie­le­r:in mit einem „Normalvertrag Bühne“ dem Intendanten unterstellt und muss alle GMD-Befugnisse mit Tietje aushandeln.

Mit wenigen Ausnahmen steht das Haus unter Lars Tietje für biederes Stadttheater

Warum der GMD aus der Dreierleitung entfernt wird? Es sei nicht sinnvoll, dass er für alles Mitverantwortung habe, erklärt der Intendant. Orchestersprecher Michael Pfannschmidt spricht von Entmachtung, Degradierung und einem antimodernen Schachzug. Während bundesweit darüber diskutiert wird, dass die fehleranfällige Machtkonzentration auf einen Theaterfürsten überholt, die Führungsetage breiter aufzustellen sei, gehe Bremerhaven den entgegengesetzten Weg. Künstlerisch ist Tietje zukünftig der Alleinverantwortliche.

Je größer eine Gruppe Gleichberechtigter sei, desto schwieriger sei die Führungsarbeit, sagt der Intendant. Er selbst habe 17 Jahre in Nordhausen und Schwerin „im Wortlaut der besorgten Bürger als Alleinherrscher“ gearbeitet, damit gute Erfahrungen gemacht, aber auch gelernt, dass das nur miteinander gehe.

So hat er in Bremerhaven eine mittlere Führungsebene der Sparten- und Abteilungsleitungen – ohne Orchesterbeteiligung – eingeführt. „Dort besprechen wir alle Entscheidungen auf Augenhöhe“, sagt Tietje. „Ich könnte überall reinreden, tue es aber nicht. Ich stelle nur Verbindungen her mit dem Blick fürs Ganze.“

Fidele Klassiker

Die Spartenleiter haben in einem Gespräch mit dem Orchester erklärt, dass alle gern so mit Tietje weiterarbeiten würden, da es gut laufe. Auch deswegen soll der GMD 2026 auf die mittlere Leitungsebene zurückgestuft werden. Das Orchester fordert hingegen „einen GMD mit klarer Führungsverantwortung“, so Pfannschmidt. Er bleibt skeptisch. Bisher kann der GMD laut Dienstvertrag den Anweisungen des Intendanten in Fragen des Orchesters widersprechen. Und tat das auch.

Dass Tietjes Vertrag mit dem Machtzuwachs verlängert werden soll, wirkt befremdlich. Die Zuschauerzahlen des Stadttheaters sind schlecht. Die Anzahl der Premieren ist bereits in dieser Saison reduziert, Spielplanlücken müssen durch Wiederaufnahmen kompensiert werden.

Tietje hat in dem Theater keinen Aufbruchsfuror entfacht wie Vorgänger Ulrich Mokrusch, mit wenigen Ausnahmen steht das Haus für biederes Stadttheater. Neue Formate sind im Spielplan nicht zu entdecken. Immerhin hat Tietje mit einer Sommer-Open-Air-Bühne dank fideler Klassiker die Publikumsbindung ans Theater verstärkt. Aber üppig überzeugend scheinen die Argumente für Tietje nicht.

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