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Machtkämpfe in LibyenMilizen rüsten zum Krieg

Wer kann, verlässt Tripolis, weil sich ringsum die Hauptstadt regierungstreue und unabhängige Milizen gegeneinander in Stellung in Stellung bringen.

Will Stärke zeigen: der libysche Premierminister Abdulhamid Dbaiba Foto: Sadak Souici/zuma/picture alliance

Tunis taz | Nach dem Einrücken schwerbewaffneter Militäreinheiten aus mehreren westlibyschen Städten bereiten sich Bewohner der libyschen Hauptstadt Tripolis auf eine neuen Krieg vor. Premierminister Abdulhamid Dbaiba hatte zuvor die Milizen in Tripolis vor die Wahl gestellt, sich in die Regierungsarmee zu integrieren oder zerschlagen zu werden. Nun legen viele Bewohner Notvorräte an und überlegen, die Stadt vorübergehend zu verlassen.

Im Mai hatte Dbaiba schon einmal Härte gezeigt. Kommandeure der regierungstreuen Brigade 444 hatten Abdel Ghani al-Kikli, den Anführer der damals stärksten Gruppe des Milizenkartells, zu Gesprächen über die Integration seiner Miliz in Armeestrukturen in eine Kaserne geladen. Dort brach der berüchtigte Warlord von Schüssen getroffen tot zusammen. Es folgten schwere Kämpfe, die Umstände seines Todes sind bis heute ungeklärt.

Im Visier Dbaibas steht heute die Miliz Rada des Salafisten Abdulrauf Kara, die wie auch die anderen Milizen vom Staat bezahlt wird, aber sich nichts sagen lassen will. Kara hat sein Hauptquartier am Flughafen von Tripolis aufgeschlagen und sollte dieses bis Montag räumen.

Doch er weigert sich und droht nun, bis zu 3.000 Kämpfer des „Islamischen Staates“ (IS) freizulassen, die in Rada-Gefängnissen einsitzen. Der IS hatte in Libyen vor zehn Jahren einen 180 Kilometer langen Küstenstreifen unter seine Kontrolle gebracht und wurde erst 2017 von Brigaden aus der Stadt Misrata unter hohen Verlusten besiegt.

Der Flughafen ist umstellt

Nun sollen Kämpfer aus Misrata der Regierung Dbaiba gegen den widerspenstigen Kara helfen. Panzer aus der 200 Kilometer entfernten Handelsstadt haben den Flughafen in Tripolis umstellt. Sie sollen im Auftrag Dbaibas den Flughafen einnehmen. Vermummte Uniformierte aus anderen Orten in Dbaibas Allianz haben an neuralgischen Punkten in Tripolis Position bezogen.

Doch auch Kara hat seine Verbündeten mobilisiert. Denn Dbaiba beherrscht nur einen kleinen Teil Libyens im Westen rund um die Hauptstadt Tripolis. Im Osten und Süden des Landes herrscht der selbsternannte Feldmarschall Chalifa Haftar mit seiner Libyschen Nationalarmee (LNA), die mit Russland verbündet ist.

Haftar hat kein Interesse daran, dass Dbaiba seine Macht konsolidiert. Er hat seine Truppen in Alarmbereitschaft versetzt und im Westen des Landes sollen Milizen aus den Städten Zuwara und Zauwia den Westteil von Tripolis besetzen, sollte Dbaiba den Angriffsbefehl auf den Flughafen geben.

Dort verlief der Flugverkehr am Mittwoch noch normal, obwohl immer wieder Schüsse abgegeben werden. Doch auffällig viele Diplomaten und ausländische Experten der Öl-und Gasindustrie reisen bereits ins benachbarte Tunis aus.

Verheerende Zerstörungen in Tripolis erwartet

Kommandeure aus Misrata sagten der taz am Telefon, dass sie im Falle eines Krieges mit verheerenden Zerstörungen in Tripolis wie beim letzten Bürgerkrieg im Jahre 2014 oder während der mehrjährigen Belagerung der Hauptstadt durch Haftar ab 2017 rechnen.

2014 ging der am Stadtrand liegende Flughafen zusammen mit zahlreichen Maschinen libyscher Fluglinien in Flammen auf. Sämtliche ausländische Botschaften wurden nach Tunis evakuiert, viele kehrten nie zurück. Haftars Belagerung machte später mehr als 200.000 Libyer obdachlos.

Rund um den Flughafen verlassen jetzt die ersten Bewohner ihre Häuser. Ein Selbstmordattentäter griff am Dienstagabend das Hauptquartier der Brigade 444 an, die Haftar an einem möglichen Einmarsch in Tripolis hindern soll. Viele Hauptstadtbewohner hoffen, dass die internationale Gemeinschaft in letzter Sekunde vermittelt.

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