Machbarkeit des Berliner Flussbads: Das bisschen Schilf
Der Verein Flussbad Berlin meldet: Wir kriegen das Spreewasser mit viel weniger Aufwand sauber. Trotzdem ist völlig unklar, wie es weitergeht.
Kraulen am Humboldt Forum, Rückenschwimmen mit Blick auf die Museumsinsel: Wenn es nach dem Flussbad Berlin e. V. geht, steht der Verwirklichung dieser Vision eigentlich nichts mehr im Wege.
Auf einer Pressekonferenz stellte der Verein rund um die Architektenbrüder Tim und Jan Edler die Ergebnisse einer 2017 begonnenen Untersuchung vor – sie sollte klären, ob das Wasser des Spreekanals durch ökologische Filteranlagen Badegewässerqualität erreichen kann. Fazit: Das kann es, und zwar mit viel weniger Aufwand als gedacht.
Um 60 Prozent kleiner als ursprünglich berechnet könne die Filterfläche ausfallen, so Tim Edler bei dem Termin auf dem alten Lastschiff „Hanseat“ im Historischen Hafen. Das ganze Projekt werde dadurch „deutlich kostengünstiger und ökologischer“.
Testlauf im Finowkahn
Diese Erkenntnisse hätten sich aus jahrelangen Untersuchungsreihen mit einer Testfilteranlage in dem alten Finowmaßkahn „Hans-Wilhelm“ ergeben, erläuterte Heribert Rustige vom Forschungsunternehmen AKUT Umweltschutz. Mehr als 1.700 Laboranalysen habe man durchgeführt, das Filterbecken mit Kies, Sand, Blähton, Lava und sogar Muscheln gefüllt sowie Pflanzen eingesetzt.
Am Ende habe sich die Variante „rundkörniger, grober Blähton mit Schilfbepflanzung“ als optimal herausgestellt. Man wisse nun aber auch, dass die Wasserqualität schon heute meist ausreichend gut zum Baden sei – also unter der kritischen Schwelle von E. coli Bakterien. Das liege auch daran, dass die gefürchteten Überläufe aus der innenstädtischen Mischwasserkanalisation oberhalb des Spreekanals deutlich seltener geworden seien.
Komme es dennoch zu Überläufen, lasse sich das Schmutzwasser durch eine zusätzliche UV-Behandlung reinigen. Auch möglich sei es, den Zulauf zum Spreekanal für kurze Zeit zu schließen, damit die Fäkalien gar nicht erst in den Badebereich eindringen könnten. In jedem Fall reiche es aus, dass das filternde Schilf nur noch am Kanalrand wüchse.
Das Problem, dass sich – wie vom Denkmalschutz moniert – Brücken und Gebäude nicht mehr im Wasser spiegelten, hätte sich damit erledigt. Die Schrumpfung der benötigten Schilffläche auf 1.800 Quadratmeter macht laut Rustige aber auch den „Düker“ überflüssig: Dabei handelt sich um eine im bisherigen Entwurf vorgesehene Rohranlage auf dem Kanalboden, durch die ein mögliches Hochwasser unter der Filteranlage hindurchgeleitet worden wäre.
Was Berlins Flussbad immer noch fehlt, ist ein Bauantrag. Ob – und wenn, wann – hier etwas geschieht, liegt wohl am wachsenden Zaudern der Landesregierung, das fantasievolle Projekt mit seinen noch unklaren Kosten zu unterstützen.
Die frühere Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) war ein Fan der Idee gewesen, ihre Verwaltung hatte auch schon ein „Stadtumbaugebiet“ zwischen Bodemuseum und Fischerinsel festgelegt. Dagegen gehört die amtierende Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt zu den eingefleischten GegnerInnen des Badespaßes am Rande des Weltkulturerbes.
Hilft auch gegen Hitze
Der Flussbad-Verein setzt nun offenbar stark auf das Haus von Bettina Jarasch (Grüne): „Alle Fachbehörden, insbesondere die maßgebliche Senatsabteilung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, müssen jetzt eng in die Koordination des Projektes einbezogen werden, damit die Planung des Projektes beauftragt werden kann“, heißt es in einer Mitteilung. Mitinitiator Jan Edler sagte der taz, das Projekt mit seiner Möglichkeit zur innerstädtischen Abkühlung passe auch hervorragend zur geforderten Klimaresilienz für bevorstehende Hitzesommer.
Darauf angesprochen bezeichnete Jaraschs Sprecher Jan Thomsen das Flussbad als „städtebaulich spannendes Projekt, das wir unterstützen. Der Wunsch danach, in einem Kanal mitten in einer Millionenmetropole baden zu können, zeigt zugleich, wie wichtig Grünflächen, Naturräume und eben auch unser Wasser für die Lebensqualität in Berlin sind.“ Allerdings sei der Ort „für eine Badeanstalt nicht gerade ein einfaches Terrain“.
Auch Thomsen verwies auf das Fehlen eines Bauantrags. Wenn das geschehen sei, würde die Senatsverwaltung ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren durchführen. Dann seien aber noch „sehr viele Fragen zu klären“ – neben der Finanzierung und der Wasserqualität etwa das strenge Badeverbot gerade an Brücken. „Das ließe sich alles angehen im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens, in dem alle Betroffenen beteiligt und alle Fragen geklärt werden.“
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