Lumumbas Goldzahn: Letzter Rest des Freiheitshelden
Ein Zahn ist alles, was der Demokratischen Republik Kongo von seinem Freiheitshelden bleibt. Feierlich wurde er jetzt in Brüssel an das Land zurückgegeben.
Es gab schon versöhnlichere Versöhnungszeremonien. Zehn Angehörige der Familie des kongolesischen Freiheitshelden Patrice Lumumba versammelten sich am Montag im Egmont-Palast von Brüssel und nahmen schweigend von Belgiens Premierminister Frédéric Van Leeuw ein kleines blaues Kästchen entgegen. Es wurde unter den kongolesischen und belgischen Flaggen und einem Schwarz-Weiß-Foto des am 17. Januar 1961 ermordeten ersten Premierministers von Kongo nach der Unabhängigkeit aufgestellt.
Nach den feierlichen Reden ergriff Lumumbas Tochter das Wort und erinnerte an das Verbrechen, an das diese Rückgabe der sterblichen Überreste Lumumbas anknüpfte.
„Vater, wie bist du gestorben? Wir wissen es nicht. Wann bist du gestorben? Wir wissen es nicht. Wo wurdest du ermordet? Auch das wissen wir nicht. Wer hat dich ermordet und warum? Wir suchen noch.“
Ganz so stimmt das nicht. Man weiß es, und genau das ist das Problem.
Erschossen, aufgelöst
Die alte Kolonialmacht Belgien untergrub Lumumba vom ersten Tag an, nach Kongos Unabhängigkeit am 30. Juni 1960. Belgien sorgte für die Sezession des mineralienreichen Katanga und betrieb Lumumbas Absetzung. Nach Inhaftierung, Flucht und Wiederfestnahme wurde er am 17. Januar 1961 an einem entlegenen Ort in Katanga erschossen und vergraben.
Der belgische Polizeioffizier Gerard Soete ordnete dann die Zerstückelung und Auflösung der Leiche in Säure an, um jede Spur zu tilgen.
Lumumba galt lange als verschollen, erst 2001 erkannte Belgien seine Mitverantwortung bei der Ermordung an. Da war Soete schon tot. Aber seine Tochter hatte etwas Kostbares geerbt: Lumumbas Goldzahn.
Den hatte der belgische Polizist bei der Leichenbeseitigung eingesteckt, mit weiteren Zähnen und Fingern. Viel später befragt, hatte er behauptet, alles längst in die Nordsee geworfen zu haben.
Aber kurz vor seinem Tod beichtete Soete im Fernsehen, was er in Wirklichkeit noch zu Hause liegen hatte. Dass die Übergabe dann bis 2022 gedauert hat, zeugt von der Schwerfälligkeit der kolonialen Aufarbeitung in Belgien.
Jetzt hat eine chinesische Firma in Kongos Hauptstadt Kinshasa ein Lumumba-Mausoleum gebaut, mit Denkmal mitten im größten Kreisverkehr der Megastadt.
Ab 27. Juni herrschen in der Demokratischen Republik Kongo drei Tage Staatstrauer. Dann wird dort Lumumbas Zahn an seine letzte Ruhestätte gebracht. Als Reliquie von Kongos Freiheitskampf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku