piwik no script img

Lukas Wallraff übrigensGolf von Mexiko auf der Brust, aber Heinz-Ketchup im Nacken

Foto: Anna Spindelndreier

Trump hier, Trump da, Trump jetzt schon wieder. Ich halt’s nicht mehr aus. Damit bin ich wahrscheinlich nicht allein, deshalb teile ich hier mein Leid und suche Rat. Dauernd neue Zölle und Dekrete, weg mit den Migranten, back to Mexico, weg mit Papierstrohhalmen, back to plastic! Jeden Tag nur Trump, Trump, Trump. Gegen diese Tyrannei der Trumpeltaten muss man doch was tun! Nur was?

So mächtig und global einflussreich die taz auch ist: Noch eine kritische Titelseite mehr wird Trump kaum schaden, im Gegenteil, er sieht sich liebend gern als „Raubritter“ im Spiegel, nichts freut den Narziss mehr als Bad Publicity von linksliberalen Europäern. Aber gar nichts tun geht auch nicht.

Also US-Produkte boykottieren? Okay, auf einen Tesla verzichte ich gern. Aber was kann denn beispielsweise Heinz, das Lieblingsketchup meiner Frau, dafür, das gehört doch der Frau von Ex-Außenminister Kerry, einem Demokraten. Oder Coca-Cola: Da gäbe es zwar doppelt Grund zum Boykottieren, weil Lieblingsgetränk von Markus Söder, es wird aber nicht in Trump Country, sondern in Deutschland produziert.

Lukas Wallraff

muss sich als Seite-1-Redakteur der taz schon mit der zweiten Amtszeit von Donald Trump herumschlagen.

Zum Protestieren in die USA zu fliegen, wäre möglich, aber teuer. Und so wichtig ich mich finde: Eventuell wären Kosten und Schaden eines Transatlantikflugs doch größer als der Nutzen meiner Anwesenheit bei einer Demo. Herrgott noch mal, wie soll man denn dann ein Zeichen setzen? Ha! Als hätte es jemand geahnt, wonach ich suche, wird mir Werbung für „Gulf-of-Mexico“-T-Shirts zugespielt. Das kostet wenig, sieht gut aus, schmückt mich mit Palmenstrand auf der Brust und einem sicheren Platz auf der sonnigen Seite der Geschichte. Aber Achtung, Falle! Weil ich das Zeichen meiner richtigen Gesinnung sofort haben wollte, bestellte ich das Ding gedankenverloren bei Trump-Unterstützer Amazon und präsentierte es stolz bei Instagram. Jetzt haben die mein Geld und meine Daten.

Immer nur Trump, Trump, Trump. Dagegen muss man doch was tun

Doch wer bleibt schon lange Trump-Freund? Gerade scheint Elon Musk auf dem Weg ins Feindeslager. Vielleicht hat also ausgerechnet die Kollegin alles richtig gemacht, die sich einen Tesla kaufte, womöglich wird das bald ein Anti-Trump-Symbol. Ups! Noch während ich das schreibe, bekomme ich bei Face­book plötzlich Werbung für Heinz-Ketchup. Es ist spooky in dieser Welt jenseits von Gut und Böse. Aber das war sicher nur Zufall.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen