Luftverschmutzung in Deutschland: Dicke Luft dank Diesel-Autos
Hunderttausende Bundesbürger leiden unter zu hohen Belastungen durch Stickoxide, vor allem Anwohner von Hauptstraßen.
Bärbel Höhn, Fraktionsvize der Grünen, rechnet sogar mit mehr Betroffenen. „Ich gehe von nahezu einer Million betroffener Bürger aus, wenn die Ergebnisse der Messstellen richtig hochgerechnet werden.“ So meldete das besonders belastete Stuttgart weniger als 2.000 Betroffene, weil dort nur die Bürger in unmittelbarer Nähe der Messstellen mitgezählt würden.
Betrachtet werden Gebiete, in denen in den Jahren 2010 bis 2013 die Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschritten wurden. Stickoxide können besonders die Atemwege schädigen. Etwa ein Viertel der Stickstoffdioxidbelastung in den Städten stammt laut Deutscher Umwelthilfe von Diesel-Pkws. Weitere Anteile haben andere Dieselfahrzeuge – etwa Lkws, Busse und Bagger – sowie Benzinautos. Etwa ein Drittel der Stickstoffdioxidbelastung stammt nicht aus dem Verkehr, sondern aus Heizungen und der Industrie.
Höhn: „Die Autohersteller bauen billige Technik zur Abgasreinigung in die Autos, um ihre Margen zu steigern.“ Die Zeche dafür zahlten die Menschen, die sich nur die billigeren Wohnungen an den Hauptverkehrsstraßen leisten könnten.
„Endlich wurde der Nebel gelichtet“
Der Grünen-Umweltpolitiker Peter Meiwald kann dem Abgasskandal etwas Gutes abgewinnen. „Endlich wurde der Nebel gelichtet und die Frage beantwortet, warum Autos die Schadstoffgrenzwerte theoretisch zwar einhalten, aber praktisch die Stickoxidemissionen in den Städten nicht abnehmen.“ Nun müssten strenge Schadstoffmessungen im Fahrbetrieb eingeführt werden.
Auch das Bundesumweltministerium stellt fest: Die tatsächlichen Stickoxidemissionen von Dieselfahrzeugen, insbesondere von Diesel-Pkws und leichten Nutzfahrzeugen, „haben nicht in dem Maße abgenommen, wie es durch die stufenweise verschärften Abgasgrenzwerte auf Ebene der Europäischen Union zu erwarten gewesen wäre“, heißt es in einem Bericht des Ministeriums an den Bundestagsumweltausschuss.
Maßgeblich dafür sei, dass es auf europäischer Ebene nicht zu einer frühzeitigen Begrenzung der Schadstoffemissionen im realen Betrieb gekommen sei. „Hierdurch wird die Wirksamkeit der von den zuständigen Behörden ergriffenen Maßnahmen stark eingeschränkt.“ Gemeint ist damit offenbar die Einrichtung von Umweltzonen zur Verbesserung der Luftqualität in den Städten.
Die EU-Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska kündigte unterdessen schärfere Kontrollen an. „Die Genehmigungssysteme der Mitgliedstaaten haben versagt“, sagte sie der Süddeutschen Zeitung. „Wir wollen künftig kontrollieren und überprüfen, ob die nationalen Behörden ordnungsgemäß arbeiten.“ Zudem sollten die Mitgliedstaaten die Ergebnisse von Fahrzeugtests untereinander austauschen.
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