Luftschlag auf Ferienort im Nordirak: Schuldzuweisungen nach Angriff

Im kurdisch regierten Nordirak sterben acht Menschen. Der Irak beschuldigt die Türkei, diese die kurdische Organisation PKK.

Ein Verletzter in einem Krankehausbett

Einer der Verletzten im Krankenhaus im irakischen Zakho Foto: Ismael Adnan/dpa

KAIRO/ISTANBUL taz | Es ist eine herzzerreißende Szene, als eine Mutter ihr totes Baby einem Polizisten überreicht, der es wegträgt. Der Säugling ist eines von acht Todesopfern und 23 Verletzten eines Angriffs am Mittwoch auf ein Touristenressort in der Provinz Dohuk im semi-autonomen, kurdisch regierten Nordirak.

Immer wieder wird der Ausschnitt im irakischen Fernsehen gezeigt, verbreitet sich auch auf den Sozialen Medien wie ein Lauffeuer. Laut Angaben der irakischen Behörden sind vier türkische Geschosse – angeblich Artilleriegranaten – im Ferienort Barakh in der Nähe der Stadt Zakho eingeschlagen. Die Aktion soll der kurdischen Organisation PKK gegolten haben.

Das Ressort, nicht weit von der türkischen Grenze entfernt, ist beliebtes Ziel für irakische Touristen, die der Sommerhitze im Rest des Iraks entfliehen wollen. Alle Opfer sind irakische Zivilisten. “Das war ein völlig willkürlicher Angriff auf unsere jungen Menschen und Kinder“, erklärt Hassan Tahsin Ali, einer der Verletzten gegenüber der Nachrichtenagentur AP bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus.

Die irakische Regierung, sowie die Öffentlichkeit, machen eindeutig die Türkei für den Angriff verantwortlich. Sie sind wütend. „Anstatt die PKK zu bekämpfen, greift die Türkei Dörfer und Zivilisten an. Sie sollen sofort alle militärischen Aktionen auf irakischem Boden einstellen“, forderte der irakische Außenminister Fuad Hussein und versprach die Angelegenheit beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorzubringen, sowie alle weiteren diplomatischen Kanäle zu nutzen.

Die irakische Regierung steht unter Druck

Bagdad bestellte aus Protest den türkischen Botschafter ein und rief seinen Chefdiplomaten in Ankara zur Konsultation nach Bagdad. Das irakische Parlament in Bagdad wird außerdem zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um den Angriff auf die kurdische Region zu debattieren.

Die irakische Regierung ist auch unter Druck der Öffentlichkeit, die immer wieder beklagt, dass sie die Souveränität des Landes nicht verteidigen kann.

Irakischer Twitter-Nutzer

„Die Welt respektiert uns nicht. Sie marschieren in unser Land ein und aus“

Das spiegeln auch die Reaktionen der Iraker in den Sozialen Medien wider. Dort wird nicht nur die Türkei, sondern auch die eigene Regierung kritisiert. „Unsere Regierung sitzt in der Falle wie wir alle. Die Welt respektiert uns nicht. Die Türkei, ebenso wie der Iran und die USA marschieren in unser Land ein und aus, bombardieren und töten uns und keiner macht etwas dagegen“, schreibt ein Twitter-User, exemplarisch für viele Äußerungen dieser Art.

Vor der türkischen Botschaft in Bagdad und anderen türkischen Konsulaten im Land kam es am Donnerstag zu Protesten, bei denen auch die türkische Fahne verbrannt wurde.

Deutschland und die USA verurteilen den Angriff

Auch International wurde der Angriff verurteilt, ohne allerdings direkt mit dem Finger auf die Türkei zu zeigen. „Das Töten von Zivilisten ist unakzeptabel. Alle Staaten müssen internationales Recht hier achten“, erklärte Ned Price, Sprecher des US-Außenministeriums.

Ähnlich äußerte sich das Auswärtige Amt in Berlin. “Die Bundesregierung verurteilt den Angriff auf zivile Ziele in der Provinz Dohuk“, heißt es in einer Erklärung. Angriffe auf Zivilisten seien vollkommen inakzeptabel. Die Bundesregierung fordert, dass „die Umstände des Angriffs und die Verantwortung für diesen dringend aufgeklärt werden müssen.“ Sowohl die Kurden im Nordirak als auch die Türkei zählen zu den wichtigen Verbündeten Europas und den USA in der Region.

Unterdessen beharrt die Türkei darauf, nichts mit dem Angriff zu tun zu haben und beschreibt das Ganze als einen Terrorakt. „Die Türkei ist bereit, jeden Schritt zu unternehmen, damit die Wahrheit ans Tageslicht kommt“, heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums in Ankara. Türkische Militäraktionen würden unter Respekt des internationalen Rechts durchgeführt. In seinen Antiterror-­Operationen achte die Türkei auf den Schutz von Zivilisten. Man rufe die irakische Regierung auf, sich nicht von der Rhetorik und Propaganda von Terrororganisationen beeinflussen zu lassen.

Außenminister Mevlüt Cavusoglu zeigte sich in zwei Stellungnahmen allerdings ungewohnt defensiv. Im Staatsfernsehen bedauerte er den Vorfall zutiefst und bot an, die Verletzten in türkischen Krankenhäusern zu versorgen. Ankara sei bereit zu Gesprächen und zu einer engen Kooperation mit der irakischen Seite.

Immer wieder türkische Angriffe im Nordirak

Vor elf Jahren hatte es an der türkisch-irakischen Grenze schon einmal einen Zwischenfall gegeben, bei dem die türkische Luftwaffe versehentlich Zivilisten bombardierte, weil sie diese für PKK-Angehörige hielt. Dabei wurden 35 Zivilisten getötet, die Dieselkraftstoff aus dem Irak über die Grenze schmuggeln wollten. Letztlich wurde niemand zur Rechenschaft gezogen. Eine echte Aufklärung ist deshalb auch jetzt zweifelhaft.

Schon seit Jahren greift die türkische Armee immer wieder tatsächliche oder vermutete Stellungen der PKK im Nord­irak an. Ende April begann eine neue Offensive. Dabei werden Verstecke der PKK aus der Luft und von Spezialeinsatztruppen am Boden angegriffen. Vor Beginn der Aktion hatte Ankara sich mit der kurdischen Autonomieregierung abgesprochen und versichert, es würden keine irakischen Zivilisten in Mitleidenschaft gezogen.

Die Toten in Dohuk sind politisch ein Desaster für die türkische Regierung – zumal es in unmittelbarer Nähe des angegriffenen Touristenressorts keine PKK-Stützpunkte gibt.

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