Lügen der Lebensmittelindustrie: Schmeckt leicht? Macht trotzdem dick
Viele "Light"-Produkte haben kaum weniger Kalorien als das Original. Sportler als Werbebotschafter geben zucker- und fettreichem Junk-Food ein gesundes Image.
BERLIN taz | Wieder haben Verbraucherschützer Lügen der Lebensmittelindustrie aufgedeckt: Die Zeitschrift Test der Stiftung Warentest kritisierte am Freitag "Light"-Produkte, die überhaupt nicht oder kaum weniger Kalorien liefern als die herkömmlichen Pendants. Die Organisation Foodwatch bemängelte, dass die Werbung mit Spitzensportlern stark zucker- und fetthaltigen Lebensmitteln ein gesundes Image verschaffe.
Besonders fiel den Warentestern das Kakaogetränke-Pulver "Nesquik Zucker-reduziert" des weltgrößten Lebensmittelkonzerns Nestlé auf. In dem Light-Produkt ersetzt das Kohlenhydratgemisch Maltodextrin Haushaltszucker. "Maltodextrin verursacht zwar keine Karies, liefert aber Kalorien, die dick machen können", sagte Test-Autorin Ina Bockholt. Unter dem Strich biete "Nesquik Zucker-reduziert" laut Etikett 1 Prozent mehr Kalorien als die herkömmliche Variante. Nestlé erklärte, auf der Packung weise die Firma darauf hin, dass Maltodextrin "in etwa den selben Energiegehalt wie Zucker" habe.
Andere Light-Lebensmittel sind zwar tatsächlich energieärmer - aber oft nur wenig. Bei den Leibniz Butterkeksen "30 Prozent weniger Zucker" etwa beträgt die Kalorieneinsparung Test zufolge lediglich 4 Prozent. "30 % weniger Fett" versprächen die "Naturals Leicht"-Chips von Lorenz. Sie lieferten aber nur 10 Prozent weniger Kalorien. Fazit der Tester: "Leichte Genussmittel erleichtern höchstens das Gewissen, man greift unbedacht zu und isst mehr."
Auch bei herkömmlichen Süßwaren trickse die Industrie, erklärte Foodwatch. Ferrero zum Beispiel bewirbt seine "Milch-Schnitte" mit Box-Weltmeisterin Susi Kentikian sowie den Bergsteigern Alexander und Thomas Huber ("Huberbuam"). Das sportliche Image unterstreicht den Slogan: "Schmeckt leicht. Belastet nicht. Ideal für zwischendurch." Tatsächlich besteht die "Milch-Schnitte" laut Foodwatch jedoch zu rund 60 Prozent aus Fett und Zucker. "Sie enthält wesentlich mehr Zucker, wesentlich mehr Fett und wesentlich mehr Kalorien als zum Beispiel die Schokoladen-Sahne-Festtagstorte von Coppenrath & Wiese."
Auch andere nicht gerade ausgewogene Produkte würden mit Sportlern beworben. "Gerade Kindern wird so von ihren größten Helden vermittelt, dass Schoko, Chips und Wurst besonders begehrenswert sind und gut zu einem sportlichen Lebensstil passen", sagte Kampagnenleiterin Anne Markwardt. "Dabei essen die meisten deutschen Kinder schon zu viele Süßigkeiten und zu viel Fleisch, aber zu wenig Obst und Gemüse."
Ferrero antwortete auf die Kritik, "dass Ernährung und Bewegung zusammen gehören". Das sei die Botschaft der Werbung mit Sportlern. Zudem könne kein einzelnes Lebensmittel eine ausgewogene Ernährung sicherstellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern