Lothar König über sächsische Polizei: „Es gibt jetzt den Stadtjugendfahrer“
Der Jenaer Jugendpfarrer soll bei einer Demo gegen rechts einen Polizisten angefahren haben. Sein Führerschein wurde eingezogen, ein Prozess steht an.
taz: Herr König, warum durfte der wildeste Demo-Pfarrer Deutschlands auch im August 2016 bei den Jenaer Protesten gegen den Rudolf-Heß-Aufmarsch nicht fehlen?
Lothar König: Ich war eigentlich wie Freunde und Verwandte auch im Urlaub. Da stellte sich heraus, dass sich aus einer „Thügida“-Standdemonstration eine richtige Demo entwickeln würde. So bin ich schweren Herzens aus dem Urlaub zurückgekehrt, um die in Jena verbliebenen Gegendemonstranten zu unterstützen, unter anderem mit dem Lautsprecherwagen. Es kamen dann so viele Leute, dass die Nazis ihre geplante Route nicht laufen konnten.
Was jetzt von Seiten des Amtsgerichtes Gera und der Staatsanwaltschaft bekannt wird, klingt so, als wäre Lothar König ein gefährlicher Linksterrorist und hätte wie ein Schneepflug einen Polizisten vor sich hergeschoben.
Auf dem Weg in die Innenstadt wurden die mehr als tausend Gegendemonstranten breit auseinander gezogen. Auf einer langen Geraden habe ich mich als Fahrer des Lautsprecherwagens auf die rechte Seite konzentriert, weil die dort abzweigenden Straßen auf die Demo-Route der Nazis führten. Was dann geschah, dauerte ganze 13 Sekunden, wir haben ein Video. Plötzlich kommt von links, wo sonst gar keine Menschen waren, ein Polizist. Ich bremse, und von rechts werden plötzlich auch Menschen in einem Gemenge von der Polizei gestoßen, ein Polizist kommt selber zu Fall. Ebenso schnell ist der Spuk wieder vorbei. Kein Polizist behelligte mich danach.
Wie kann es dann zu einem solch drastischen Vorwurf des Widerstands gegen Vollzugsbeamte kommen, der den Fahrerlaubnisentzug jetzt nach sich zieht?
63, ist evangelischer Stadtjugendpfarrer in Jena. 2013 erhielt der gelernte Zerspanungsfacharbeiter den Thüringer Demokratiepreis.
Ich weiß nur, dass eine Stunde später, als alles zum Stillstand gekommen war, eine Polizeieinheit aus dem sächsischen Chemnitz den Lautsprecherwagen umstellte. Der Jenaer Polizeichef sorgte dann wieder für unsere Beweglichkeit. Am nächsten Tag stand in der Regionalzeitung, dass sich ein Polizist mit einem Sprung vor unserem „Lauti“ retten musste. Drei Wochen später kam ein Bußgeldbescheid über lächerliche 35 Euro wegen dreier Ordnungswidrigkeiten, darunter das Abspielen von Musik. Mehr nicht.
Kann es sein, dass die sächsische Polizei einen Privatkrieg gegen Sie führt? Wenn man an die Anti-Nazi-Demonstrationen 2011 in Dresden und den nachfolgenden Prozess denkt, könnte man glatt diesen Eindruck gewinnen.
Das sind Polizeibeamte, die hier für Recht und Ordnung sorgen, das machen die doch nicht! Ich unterstelle da nichts, höchstens wie in Dresden, dass sich ein Polizist bei seinen Erinnerungen geirrt hat. Das überraschende Verfahren gegen mich geht auf die Staatsanwaltschaft Gera zurück.
Wie geht der Jugendpfarrer König mit diesem erneuten Konflikt mit der Justiz um?
Ich werde wieder vom Berliner Rechtsanwalt Johannes Eisenberg vertreten. Es gibt noch keinen Termin für eine Verhandlung. Den Lauti betreffend gibt es jetzt neben dem Stadtjugendpfarrer noch einen Stadtjugendfahrer, und ich sitze daneben. Außerdem darf ein abgeschlepptes Auto, zum Beispiel der Lauti, auch von einer Person ohne Fahrerlaubnis gesteuert werden – das für den Fall einer nächsten Nazi-Demo. Ich hoffe, dass ich bis zu meinem Dienstende im Juli 2019 weiß, ob ich in diesem Leben noch meine Fahrerlaubnis zurückerhalten werde oder erst im nächsten.
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