Lokalderby in der Premier League: Strukturwandel à la Manchester
Die Kräfteverhältnisse in der englischen Industriestadt haben sich verschoben: Während United um den Anschluss kämpft, dominiert City alles.
Wenn man sich heute mit City-Fans über dieses Spiel unterhält, bekommen sie immer noch leuchtende Augen und berichten von den Glücksgefühlen, die damals in Wembley freigesetzt worden seien. Der Stadtrivale Manchester United hatte wenige Tage zuvor übrigens die Champions League gewonnen – durch das berühmte 2:1 in der Nachspielzeit gegen den FC Bayern – und damit das Triple komplett gemacht.
Das waren noch Zeiten, als die beiden Klubs aus der alten Industriestadt im Nordwesten Englands so gegensätzlich waren, wie es gegensätzlicher kaum geht. Auf der einen Seite das notorisch mittelmäßige und von wirtschaftlichen Sorgen geplagte City, auf der anderen Seite United, das in den Neunzigern erst die Dominanz im englischen und dann im europäischen Fußball übernahm und zum umsatzstärksten Verein der Welt aufstieg. Mittlerweile haben sich die Klubs angenähert, sind sich immer ähnlicher geworden, auch wenn die Fans das natürlich nicht hören wollen.
Der Grund für diesen Ausgleich der Kräfteverhältnisse ist die Übernahme Citys durch Scheich Mansour bin Zayed al-Nahyan aus Abu Dhabi im Herbst 2008, der sich zum Ziel gesetzt hat, den Klub in Europas Elite zu führen und zu diesem Zweck unablässig Geld in sein Projekt pumpt. Allein in den vergangenen zweieinhalb Jahren hat City angeblich mehr als 670 Millionen Euro in Transfers investiert. Außerdem baute der Klub das wohl modernste Nachwuchszentrum der Welt und vergrößerte sein Stadion.
Zweimal wurde City nach der Übernahe Meister, 2012 und 2014, und auch in dieser Saison deutet viel darauf hin, dass der Titel im blauen Teil Manchesters gefeiert wird. Vor dem Derby an diesem Sonntag im Old Trafford führt das Team von Pep Guardiola die Tabelle mit acht Punkten Vorsprung vor United an, ist in der Liga noch ungeschlagen und könnte mit dem 14.
Erfolg nacheinander nicht nur einen Rekord für die längste Siegesserie in der Premier League aufstellen, sondern auch eine frühe Vorentscheidung in der Meisterschaft herbeiführen – auch wenn Guardiola diese Möglichkeit herunterspielt. „Es ist noch ein langer, langer Weg. Wir müssen noch viele Punkte holen“, sagt er vor der nur rund sieben Kilometer langen Tour vom Osten Manchesters in den Westen, wo am Ufer der Salford Quays Uniteds Stadion liegt.
Psychospiele und Sticheleien
Dass City dabei ist, den Stadtrivalen sportlich zu überholen, hat auch damit zu tun, dass die Mannschaft im Moment Eigenschaften zeigt, die eigentlich klassische United-Tugenden sind. In der Zeit unter Trainer Sir Alex Ferguson wurde der Klub dafür bekannt, Spiele durch späte Tore zu gewinnen – berühmt der Sieg über Bayern 1999.
City hat sich zuletzt schwergetan, die Siege gingen Guardiolas Team nicht mehr so leicht vom Fuß wie noch vor einigen Wochen. Dennoch war die Mannschaft in den entscheidenden Momenten da, schlug Feyenoord Rotterdam in der Champions League, und in der Liga Huddersfield Town, Southampton und West Ham durch Siegtreffer zwischen der 83. und 96. Minute, was nach allgemeiner Auffassung die Reife, den Kampfgeist und das Durchsetzungsvermögen des Teams belegt.
„Wir haben gezeigt, dass wir nie aufgeben“, sagt Guardiola. Die erste Niederlage der Saison im bedeutungslosen letzten Gruppenspiel der Champions League bei Schachtar Donezk mit einer B-Elf könnte aus Sicht des Trainers sogar nützlich sein, um die Sinne zu schärfen.
Dass sich die Verhältnisse in Manchester ändern, ist auch daran zu erkennen, dass bei United eine gewisse Nervosität herrscht, die ihren Ausdruck in Psychospielen und Sticheleien findet. Mittelfeldmann Paul Pogba – der das Derby wegen seiner Roten Karte beim 3:1 gegen Arsenal verpasst – verlieh in einem Interview seiner Hoffnung Ausdruck, dass sich bei City im weiteren Verlauf der Saison ein paar Spieler verletzen könnten. Und einem Kamerateam von City versagte United für das Duell am Sonntag den Zugang zum Spielertunnel im Old Trafford. Dass der Klub solche Manöver irgendwann nötig haben würde, war im Mai 1999 unvorstellbar.
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