Lohnerhöhungen für Leiharbeiter: Arbeitgebern sitzt das Geld locker
Der Stellenabbau durch die neuen Tarifverträge zwischen Gewerkschaften und Zeitarbeitsfirmen blieb aus – weil die Wirtschaft floriert.
BERLIN taz | In der augenblicklich guten Lage der deutschen Wirtschaft sind auch hohe Lohnsteigerungen oft kein Problem für die Unternehmen. So erhalten die Zeitarbeiter in der Metallindustrie und acht weiteren Branchen gegenwärtig Lohnerhöhungen von 15 Prozent.
Das ist eine Folge der Tarifverträge, die die Gewerkschaften und die Verbände der Zeitarbeitsfirmen vor einem Jahr geschlossen haben. Das Ziel der Gewerkschaften war es, die Bezahlung der Leiharbeiter an die Bedingungen für unbefristete Beschäftigte anzunähern.
„Die Befürchtungen, dass die neuen Zuschläge zu einem starken Abbau der Zeitarbeit führen, haben sich bis jetzt nicht bewahrheitet“, sagt Volker Enkerts. Er ist Geschäftsführer der Firma Flex-Time in Hamburg und zugleich Präsident des Arbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP), der unter anderem die großen Leiharbeitsfirmen vertritt.
Ähnliches ist vom zweiten wichtigen Verband der Branche (IGZ) zu hören. Auch die Gewerkschaft IG Metall bestätigt, dass die Mitglieder, die Leiharbeiter sind, ihre Zuschläge überwiegend erhalten.
50 Prozent mehr Lohn bis zum Sommer
Der seit November vergangenen Jahres gültige Tarifvertrag führt zu einer Lohnerhöhung von 15 Prozent, wenn die Arbeitnehmer länger als sechs Wochen im selben Unternehmen beschäftigt sind. In mehreren Stufen steigt der Zuschlag danach auf 50 Prozent, was erstmals in den Sommermonaten 2013 erreicht wird.
Über diese Zuschläge hinaus stellen die Verleihfirmen ihren Kunden zusätzliche Sozial- und Nebenkosten in Rechnung. Für die Produktionsunternehmen der Metall- und Elektroindustrie kann sich dadurch eine Kostensteigerung pro Leiharbeitsstunde von über 20 Prozent ergeben.
Diese stecken die Firmen anscheinend klaglos weg. Der Grund: „Wegen der relativ guten Wirtschaftsaussichten stellen diese zusätzlichen Kosten zumeist kein Problem dar“, so BAP-Präsident Enkerts. Die Auftragslage der Firmen ist zufriedenstellend, das Wachstum zieht wieder an – da will man sich nicht von Arbeitnehmern trennen, die man bald dringend braucht.
Die „Frühindikatoren für den Arbeitsmarkt“, eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit, deutet daraufhin, dass die Zahl der Leiharbeiter infolge der höheren Löhne nicht zurückgegangen ist. Saisonbereinigt waren während des Winters relativ stabil etwa 740.000 Leiharbeiter beschäftigt. Absolut ist die Zahl seit Sommer 2012 jedoch um rund 100.000 Zeitarbeiter gesunken.
Die Erklärung: Wegen des schlechten Wetters im Winter verlieren üblicherweise manche Arbeitnehmer ihren Job, mit den Zuschlägen hat das kaum etwas zu tun. Beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall, dessen Mitgliedsfirmen Zeitarbeiter ausleihen, ist man dennoch vorsichtig. Noch habe man zu wenig Daten, um die Ursache der Entwicklung genau zu verstehen. Welche Rolle spielten die Zuschläge und welche konjunkturelle und saisonale Faktoren?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“