Lockdown-Lockerung in Österreich: Wien scheitert mit Freitest-Plan
Bald hätten nach Regierungsplan alle mit negativem Coronatest Gastronomie besuchen können sollen. Doch die Opposition stellte sich dagegen.
Noch bevor Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) seine wenig ausgegorene Idee konkretisieren konnte, brach im eigenen Lager das Chaos aus. Während Tourismusministerin Elisabeth Köstinger die Polizei als zuständig für die Überwachung der Maßnahme sah, fand Innenminister Karl Nehammer, die Wirte und Veranstalter seien gefragt. Nach den Vorstellungen der Regierung sollte das „Freitesten“ wenige Tage vor dem 18. Januar beginnen. Ein negatives Attest würde sieben Tage für die Gastronomie gültig sein, zwei Tage für Kultur- und Sportevents.
Oppositionsführerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) hielt das von Anfang an für keine gute Idee. Für die gelernte Epidemiologin sind die Infektionszahlen noch viel zu hoch. „Wenn die Neuinfektionen bis Ende nächster Woche nicht stabil unter 1.000 sind, brauchen wir über Lockerungen erst gar nicht diskutieren“, so die Sozialdemokratin in einer Pressekonferenz am Sonntag. Das ist auch die Position von Wissenschaftlern, die darauf hinweisen, dass ein Test nicht mehr als eine Momentaufnahme ist. FPÖ-Vizefraktionschefin Susanne Fürst hält den Entwurf „aus mehreren Gründen für verfassungswidrig“. Die Maßnahme verletze die Rechte auf Bewegungsfreiheit, auf Privatsphäre und auf Erwerbsfreiheit. Auch der Gleichheitsgrundsatz sei gefährdet. Die liberalen Neos wollen Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) keine Verordnungsermächtigung geben, da „er regelmäßig die Grenzen überschreitet, die wir ihm auferlegen“.
Drei verschiedene Standpunkte, aber ein gemeinsames Ziel: die Pläne der Regierung zu durchkreuzen. Und das können die drei Oppositionsparteien dank einer gemeinsamen Mehrheit im Bundesrat, der sonst wenig bedeutenden Länderkammer des Parlaments. Die Regierungsmehrheit im Nationalrat kann das Votum des Bundesrates zwar per Beharrungsbeschluss zu Fall bringen, doch mit einer Verzögerung von bis zu acht Wochen. Viel zu spät für ein Gesetz, das Mitte Januar in Kraft treten soll.
Es reichte schon die Androhung des Votums
Deswegen hat schon die Androhung des negativen Votums die Regierung zum Einlenken gebracht. In gewohnter Schuldzuweisung macht die ÖVP jetzt die Opposition verantwortlich, dass der Lockdown länger dauert.
Gesundheitsminister Anschober will hingegen den Dialog mit den anderen Parteien suchen. Nicht nur über Dauer und Modalitäten des derzeitigen Lockdowns, sondern auch für die Zeit danach. So sollen verstärkt bestimmte Berufsgruppen getestet werden, bis die Impfungen eine spürbare Erleichterung bringen. Die Schulen, so Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) sollen wie geplant am 18. Januar zum Präsenzunterricht zurückkehren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken