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Loben, trauern

Robert Gernhardts „Gedichte 1954–1994“ sind jetzt in einem handlichen Band vereint, der bequem in jede Manteltasche paßt. Man wird zögern, ihn zu loben, nachdem man den „Guten Rat, Kritik betreffend“ gelesen hat: „Laß nicht zu, daß sie dich loben. / Wer dich lobt, darf dich auch tadeln. / Und du mußt dann sein Geseires / auch noch durch Verständnis adeln.“

Es sei also nur bescheiden auf einige bisher unveröffentlichte hübsche Jugendgedichte hingewiesen – und auf die auch beim Wiederlesen sehr bewegenden Trauergedichte. Der nicht geringste Vorzug dieser Zusammenstellung ist die Kommentierung durch den Dichter selbst, der Vor- und Nachgeschichten zu den Texten preisgibt. Der „Mühlheim/Main-Blues“ etwa, zuerst abgedruckt in der FAZ, hat ein kurioses Schreiben gezeitigt. Die erste Strophe lautet: „Tiefkühlstrudel in Mühlheim / Jetzt weiß ich, was Hölle ist / Aufgetischt von soner aufgedozten Lehrerin / In sonem verhärmten Formaldehyd-Haus-: / Bist du da auch runtergestiegen, Jesus Christ?“. Darauf melden sich „Kling & Kollegen. Rechtsanwälte“ bei der Redaktion: „Sehr geehrte Damen und Herren, ... am 2.2.94 haben Sie ein Gedicht eines Herrn Robert Gernhardt mit dem Titel ,Mühlheim/Main-Blues‘ veröffentlicht. Dieses Gedicht befaßt sich in eindeutig negativer bis böswilliger Absicht mit den Tiefkühl- Lebensmitteln ... Juristisch ist meine Mandantin betroffen, weil sie in Mühlheim/Main ein modernes Tiefkühl-Lebensmittellager für eben die von Ihrem Gedichtsverfasser verteufelten Tiefkühl- Lebensmittel unterhält ... Unsere Mandantin möchte weiter ihren Gewerbebetrieb in ungestörter Weise ausüben. Deswegen fordern wir Sie und Herrn Robert Gernhardt auf, Veröffentlichungen zu unterlassen, in denen ein zwingender Zusammenhang zu dem Gewerbebetrieb unserer Mandantin hergestellt wird und dieser als Quelle des vom Gedichtverfasser vermeintlich erkannten Übels identifizierbar gemacht wird ... Mit freundlichen Grüßen ...“ JL

Robert Gernhardt: „Gedichte 1954–1994“. Haffmans Verlag, 537 Seiten, geb., 36 DM

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